Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
verteilten.
»Pardon«, japste er endlich und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchte Nase.
Tidread warf ihm einen finsteren Blick zu und rollte die Augen.
»Zum letzten Mal besuchte ich das Kloster zum Hochamt am Tag des heiligen Vitus«, wandte er sich wieder an Bandolf. »Das ist sechs Tage her. Ich weiß nicht, was sich seither dort ereignet hat.«
»Ein Mönch des Klosters ist gestern zu Tode gekommen«, erklärte Bandolf. »Man hat ihn ermordet aufgefunden. «
» Mon Dieu«, ächzte der junge Welsche und begann zu
husten. Vor Anstrengung färbte sich sein Gesicht so rot wie eine Rübe.
»Bei allen Heiligen! Warum legt Ihr Euch nicht endlich nieder«, fuhr Tidread ihn verärgert an.
Das halbe Gesicht in seinem Ärmel vergraben, nickte Stephan von Blois.
»Entschuldigt mich, Mes Seigneurs, die Feuchtigkeit …«, murmelte er undeutlich, während er sich erhob. Nach einer knappen Verbeugung vor dem Burggrafen und seinem Gastgeber wankte er schniefend aus der Halle.
Mit gerunzelter Stirn sah Bandolf dem jungen Grafensohn nach. »Wie konnte er sich nur mitten im Sommer den Rotz holen?«, wunderte er sich laut.
Tidread zuckte mit den Schultern. »Schwache Säfte und schlechtes Blut in den Adern«, brummte er. »Aber zurück zu Eurem Anliegen, Burggraf. Was hat es nun mit diesem toten Mönch von Sankt Mauritius auf sich?«
»Wie ich schon sagte, wurde der Mönch anscheinend ermordet. Und der Abt beschuldigt nun meinen Schreiber, die Tat begangen zu haben.«
»Euren Schreiber«, wiederholte Tidread langsam. Einen langen Augenblick starrte er Bandolf an, dann brach er in brüllendes Gelächter aus.
Mit wachsender Verärgerung wartete Bandolf darauf, dass er sich wieder beruhigte.
»Ihr versüßt mir den Tag, Burggraf«, keuchte Tidread endlich. »Wie ist der Abt denn just auf Euren Schreiber verfallen?«
Bandolf musterte ihn mit schmalen Augen, und Tidread zuckte, noch immer breit grinsend, mit den Schultern.
»Was das anbelangt, schwieg der Prior sich aus«, brummte Bandolf. »Ich nehme an, mein Schreiber hat den Toten gefunden.«
Die Heiterkeit verschwand aus Tidreads Gesicht. »Und was habe ich mit dieser Angelegenheit zu schaffen?«
Bandolf schwieg einen Moment und spielte nachdenklich mit seinem Becher. »Mein Schreiber war noch Novize im Kloster, als vor etwas mehr als zwei Jahren der Novizenmeister des Klosters ebenfalls einen gewaltsamen Tod fand. Davon habt Ihr gewiss gehört?«
Tidread warf ihm einen wachsamen Blick zu, ehe er nickte.
»Auch diese Tat legt Abt Hademar meinem Schreiber zu Last«, erklärte Bandolf. »Was genau sich ereignet hat, werde ich noch herausfinden. Tatsache ist jedoch, dass der Abt meinen Schreiber in Gewahrsam genommen hat und sich weigert, ihn meiner Obhut zu übergeben. Er behauptet, hier greife das Recht der Kirche.«
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Tidread die Verzierungen auf seinem Zinnbecher. »Nun, wenn Euer Schreiber noch Novize ist …«
»Mein Schreiber hat sich über Jahr und Tag in Worms aufgehalten und steht seit zwei Jahren in meinen Diensten«, sagte Bandolf nachdrücklich. »Die Kirche hat keine Rechte mehr an ihm. Er untersteht meinem Recht, als Burggraf wie als Vogt der Buchenburg.«
»Und was wollt Ihr von mir?«
»Ihr seid ebenfalls Burgherr. Es sollte auch Euch ein Anliegen sein, dass die Kirche nicht willkürlich Eure Befugnisse in Frage stellt. Zudem kennt Ihr Vater Hademar länger und besser als ich. Womöglich würde er auf Euch hören.«
Tidread kniff die Augen zusammen. »Und falls nicht?«
Bandolf zuckte mit den Schultern. »So oder so werde ich keine Ruhe geben, bevor mein Schreiber in meinem Gewahrsam ist und ich herausgefunden habe, wer für diese Taten verantwortlich ist«, antwortete er ruhig.
Tidread sah von seinem Becher auf und warf Bandolf einen scharfen Blick zu, ehe er die Lider wieder senkte. Eine lange Weile schien er nachzudenken, doch schließlich nickte er.
»Nun, Burggraf: Ich würde es ebenfalls vorziehen, Herr über mein Gesinde zu bleiben. Ich werde mit dem Abt sprechen.«
Überrascht runzelte Bandolf die Stirn. Den Gedanken, dass Tidread ihm tatsächlich seine Unterstützung anbieten könnte, hatte er nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Im Stillen fragte er sich, ob der Sachse womöglich selbst einen Strauß mit dem Abt von Sankt Mauritius auszufechten hatte.
»Ich schulde Euch Dank«, sagte er endlich.
»Bedankt Euch nicht zu früh«, meinte Tidread. »Ich kenne Vater Hademar.
Weitere Kostenlose Bücher