Das Geheimnis der Burggräfin - Roman
geschah. Eine Gabe, die ihm selbst abging.
Und wenn er mit seiner Vermutung recht hatte und der Welsche tatsächlich wegen jener Handelsfahrt seines Vaters dort draußen lauerte, bedeutete das nichts Gutes.
Nachdenklich betrachtete Joschua seine junge Gattin, die seinen Blick mit fragend hochgezogenen Brauen erwiderte. Sie war klug und richtete ihre Gedanken häufig auf das Nächstliegende, wo sein eigener Verstand Umwege machte. Er hatte gelernt, ihrem Rat zu vertrauen. Und einen klugen Rat würde er just zu schätzen wissen.
Joschua räusperte sich. »Da gibt es etwas, das du wissen solltest«, begann er.
Rifka hörte schweigend zu, während er ihr von jenem Tag nach Pessach erzählte, als ein Bote Jehuda ben Eliesar in die Bischofspfalz gerufen hatte. Auch nachdem er geendet hatte, blieb sie noch geraume Zeit still, seine Worte augenscheinlich sorgfältig überdenkend, wie es ihre Art war.
»Hast du schon die Botschaft von Vater erhalten, die er zu schicken versprach?«, fragte sie schließlich.
Joschua schüttelte den Kopf. »Nein, aber es wäre zu früh, sich darüber ernstlich Gedanken zu machen. Vater kann erst vor einigen Tagen an seinem Bestimmungsort eingetroffen sein. Wenn er einen Boten geschickt hat, wird seine Nachricht uns erst in zwei, vielleicht drei Tagen erreichen. «
Sie nickte. »Dann ist es auch zu früh, um irgendetwas zu tun«, sagte sie mit einem tiefen Seufzen. »Erst wenn die Zeit überschritten ist, die Botschaft ausbleibt und jener Welsche noch immer da ist, solltest du dich an den Rabbi um Rat wenden. Ich fürchte, bis dahin bleibt uns nichts weiter zu tun, als uns in Geduld zu fassen.«
Rasch streckte sie die Hand aus und legte sie auf die seine. Ihr Lächeln schien ihn trösten zu wollen, doch in ihren tiefdunklen Augen sah Joschua seine eigene Besorgnis widergespiegelt.
KAPITEL 7
Worms, 28. Juni im Jahre des Herrn 1066
D ie Nacht hatte keine Abkühlung gebracht, und kein Lufthauch regte sich in der feuchten Schwüle, die seit Tagen wie eine Glocke über Worms hing. Es schien, als hielte der Allmächtige noch den Atem an, bevor er seinen Zorn mit Blitz und Donner und windgepeitschtem Regen über die Stadt herniedergehen ließe.
Das erste Dämmerlicht brach zögernd durch die dunklen Wolken am Himmel, als Penelope, die Domkatze, aus einer Ritze in der Scheunenwand auf den schmalen Durchlass schlüpfte, der die Scheune vom Haupthaus des Burggrafen von Worms trennte. Einen Augenblick verharrte sie und lauschte mit gespitzten Ohren. Dann huschte sie zwischen Fässern, prallgefüllten Säcken und aufgestapeltem Feuerholz hindurch bis zur Ecke, wo der enge Durchlass in den Hof mündete. Neben einer Regentonne machte die Katze Halt, spähte aufmerksam über den Hof und kauerte sich schließlich nieder. In der nur langsam schwindenden Dunkelheit schien ihr graues Fell nahezu mit dem Holz der Tonne zu verschmelzen. Nur ihre bernsteingelben Augen, die unverwandt auf den Hof starrten, mochten ihre Anwesenheit verraten.
Als die Tür im Haus geöffnet wurde und die Burggräfin auf den Hof trat, setzte Penelope sich auf. Ihre Schnurrhaare
zuckten, und der um die Pfoten geringelte Schwanz schlug wie in ungeduldiger Erwartung auf den Boden.
Einige Schritte von der Türschwelle entfernt blieb Matthäa stehen. Sie bückte sich, wobei der vorgewölbte Leib ihr Mühe zu bereiten schien, und stellte eine Schale auf den Boden.
»Miez, Miez«, rief sie und richtete sich schwerfällig wieder auf. Mit einer raschen Bewegung strich sie sich die rotblonden Locken aus dem Gesicht, die noch in ganzer Pracht offen bis über ihre Hüften fielen. Beide Hände in den Rücken gepresst, wanderte ihr Blick erneut über Hof und Garten, Stall und Scheune, deren Konturen im schwachen Dämmerlicht kaum erkennbar waren.
»Miez, Miez.«
Die Katze hinter der Regentonne rührte sich nicht.
»Wo ist sie nur geblieben?«, murmelte Matthäa.
»Was macht Ihr denn in aller Herrgottsfrühe auf dem Hof, Herrin?«, rief Filiberta, die unter dem Türrahmen erschienen war. Entrüstet stemmte sie die Arme in ihre üppigen Hüften.
»Ich habe eine Schale mit Brei für Penelope aufgestellt. «
»Herrje! Ihr solltet lieber froh sein, dass diese vermaledeite Katze keinen Unfug mehr im Haus anstellt.«
Matthäa seufzte. »Seit mein Gatte abgereist ist, lässt sich das Tier nirgendwo mehr sehen«, sagte sie. »Du weißt doch, wie der Burggraf an dieser Katze hängt. Es wird ihn betrüben, wenn er sie bei seiner
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