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Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Das Geheimnis der Burggräfin - Roman

Titel: Das Geheimnis der Burggräfin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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zerrte und ihm empfahl, seinen Dienst mit offenen Augen zu versehen, sonst würde er sich alsbald auf direktem Weg am Fuß des Bergfrieds wiederfinden, starrte er seinen Herrn so entsetzt an, als sähe er ein Nachtgespenst.
    Bandolf hingegen stieg, durch seinen Entschluss um einiges erleichtert, die Wendeltreppe hinunter und setzte seine unterbrochene Nachtruhe in der Waffenkammer fort. Dort, so fand er, war es bei weitem weniger stickig als in seiner winzigen Halle.

KAPITEL 6
    Worms, 30. Siwan im Jahr 4826
nach Erschaf fung der Welt
(26. Juni im Jahre des Herrn 1066)
     
    » …Osse shalom bim’romaw, hu ja’asse shalom alejnu we’al kol Jisrael we’imru: Amen. « … »Der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, er stifte Frieden unter uns und ganz Israel, sprecht Amen.«
    Mit dem Kaddisch ging das Morgengebet zu Ende. Füße scharrten, hie und da wurde ein Flüstern laut, das rasch zum lebhaften Stimmengewirr anhob, während die Männer die Synagoge verließen.
    ›Noch immer kein Regen‹, dachte Joschua ben Jehuda flüchtig, als er ins Freie trat und einen Blick in den wolkenverhangenen Himmel warf. Dann wandte er sich wieder der Debatte zu, die sich schon am Vortag unter den Talmudstudenten entzündet hatte und just wieder aufgenommen worden war.
    »Warum also nach Sonnenuntergang?«, fragte Aaron, ein junger Mann aus der jüdischen Gemeinde von Speyer, der vor einem Jahr nach Worms gekommen war, um in der berühmten Talmudschule zu studieren.
    »Ben Soma leitet es aus dem Schriftvers 5. Mose 16, 3 ab. ›Damit du gedenkest des Tages, da du aus Ägypten gezogen, alle Tage deines Lebens‹«, erklärte Jaacov und fügte
mit einem breiten Grinsen hinzu: »Welches kurz sein wird, wenn du dein Weib mit dem Frühmahl warten lässt.«
    Die jungen Männer lachten.
    »Da hört euch diesen Burschen an«, meinte Aaron gutmütig. »So spricht nur einer, den noch kein Weib haben wollte. Was sagst du, Joschua?«
    Joschua lächelte. »Aaron hat recht. Warte, bis du selbst ein Weib hast, Jaacov, dann reden wir weiter.«
    »Da hörst du es«, rief Aaron. »Und nun sag mir, warum wir des Auszugs aus Ägypten auch des Nachts gedenken? Ist doch in dem Vers ausdrücklich vom Tag die Rede.«
    »Nun, der Vers spricht von alle Tage, was meint, zu jeder Zeit, folglich auch nachts«, widersprach Joschua.
    »Aber würde dann nicht …«
    Das Streitgespräch der jungen Männer war bis zu den gegensätzlichen Ansichten gediehen, ob Hillel bei der Einteilung des jüdischen Jahres auch alles bedacht hatte, als Joschua sich verabschiedete und den Weg über die Judengasse nach Hause einschlug.
    Ungeachtet der frühen Morgenstunde herrschte bereits rege Betriebsamkeit in der Stadt, die er jedoch nur am Rande wahrnahm, während er über den Passus im Talmud nachgrübelte, an dem sich die Debatte entzündet hatte. Das lautstarke Gekreisch zweier Gänse riss ihn aus seiner Versunkenheit, und er bemerkte erstaunt, dass er in Gedanken vertieft an seinem Heim vorbeigegangen war und bereits die Lauergasse erreicht hatte. Sich selbst belächelnd, machte er kehrt.
     
    Der Duft nach süßem Gewürz schlug Joschua entgegen, als er sein Vaterhaus betrat. Während er in der Synagoge gewesen war, hatten Rifka und ihre Magd das Frühmahl zubereitet, und die Tafel war bereits mit einer Schüssel Milchbrei,
frisch gebackenem Brot, Eiern und einem Krug verdünntem Wein gedeckt.
    Um diese Stunde war das Haus gewöhnlich mit Geschäftigkeit und Lärm erfüllt. Jehuda, Joschuas Vater, und Esra, sein Bruder, pflegten über das Tagesgeschäft zu sprechen, während sein Weib und seine Schwägerin sich über häusliche Dinge berieten.
    Joschua, der nicht wie Esra den Sinn des Vaters für den Handel geerbt hatte und sich am wohlsten in der Welt der Gelehrten fühlte, genoss die ruhige Behaglichkeit, die an der Morgentafel herrschte, seit Jehuda nach Sachsen und Esra mit seiner Frau nach Mainz abgereist waren. Im Gegensatz zu seiner Schwägerin, deren ewigem Gezänk man sich nur schwerlich entziehen konnte, ließ Rifka ihren jungen Gatten an der Tafel in Ruhe seinen eigenen Gedanken nachhängen. Hin und wieder erzählte Joschua ihr auch von den Kommentaren der Gelehrten, die ihn bewegten und die in der Jeschiwa hitzig besprochen wurden. Den Kopf zur Seite geneigt, pflegte Rifka zuzuhören, um ihn dann mit einem Argument zu überraschen, an das er noch nicht gedacht hatte. Und meistens war dieses Argument dann ausgesprochen praktischer Natur.
     
    In Gedanken

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