Das Geheimnis der Diva
Kitschig.«
»Kulturbanause. Dann stell dir eben Colin Jackson im Halbdunkel mit dämonischem Blick und einer Kettensäge vor.«
Peter grinste. »Schon viel besser. Fehlt nur noch –«
»He, ihr!«
Sie zuckten zusammen. Aus dem Schatten der Treppe trat ein Mann mit einem Besen in der Hand. »Was habt ihr hier zu suchen? Seid ihr von der Presse?«
Justus fing sich schnell. »Nein«, sagte er. »Wir sind Schüler und möchten uns die Proben wegen eines Schulprojektes ansehen. Die finden doch hier statt, oder?«
»Aye«, brummte der Mann. »Geht da lang. Tür unter der Treppe. Seid leise, setzt euch hin und nervt nicht. Bei der ersten Störung fliegt ihr raus. Klar?«
»Klar«, sagte Justus. »Sind Sie der Hausmeister hier?«
»Aye. Und wenn ihr Ärger macht, bin ich auch der Kerl mit der Kettensäge.«
»Wir wollen bestimmt keinen Ärger machen«, versicherte Peter hastig.
Der Hausmeister knurrte nur und verschwand wieder im Schatten. Die drei ??? suchten sich ihren Weg durch die Dunkelheit, bis sie die schwachen Umrisse der Tür entdeckten. Bob öffnete sie, und das Erste, was sie hörten, war die scharfe, böse Stimme einer Frau. »Oh nein, Reginald, so einfach ist das nicht. Ich warne dich! Es hat schon zwei Leute erwischt – pass auf, dass du nicht der Nächste bist!«
»Der Dritte«, sagte eine zweite, leisere Frauenstimme.
»Was?«, fragte die böse Stimme irritiert und klang plötzlich ganz normal. Die drei ??? bogen um eine Ecke und sahen den dunklen Zuschauerraum und die beleuchtete Bühne vor sich. Die Sprecherin war eine schlanke Mittdreißigerin mit wallenden blonden Haaren, die neben einem Mann auf der Bühne stand und in ihrer weißen Hose und der weißen Bluse weithin zu leuchten schien.
»Pass auf, dass du nicht der Dritte bist«, wiederholte die leise Stimme. Sie gehörte zu einer kleinen, etwas pummeligen jungen Frau mit kurzen, dunklen Haaren, die an der Seite der Bühne auf einem Schemel saß und einen Stapel Papier auf den Knien hielt.
»Um Himmels willen!«, fauchte die Blonde. »Kann ich vielleicht auch einmal improvisieren? Der Nächste, der Dritte, wo ist da der Unterschied? Wie soll ich mich auf die Rolle einstimmen, wenn ich andauernd von Lappalien unterbrochen werde?«
»Entschuldigung, Miss Caroline«, sagte die Souffleuse eingeschüchtert.
Miss Caroline stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ihnen fehlt der Sinn für das Theater, junge Frau. Das muss sich bis nächste Woche aber noch sehr bessern!« Abrupt wandte sie sich wieder dem Mann zu, der ebenfalls etwa fünfunddreißig Jahre alt war, aber schon silbergraue Haare hatte. Das war wohl ›Reginald‹. »Wo waren wir, Sid?«
»Bei deiner Morddrohung«, erwiderte er mit überraschend tiefer Stimme.
»Also weiter im Text.« Übergangslos änderte sie ihre Stimme wieder. »Oh nein, Reginald, so einfach ist das nicht. Ich warne dich! Es hat schon zwei Leute erwischt – pass auf, dass du nicht der Nächste bist!«
»Soll das eine Drohung sein, Seraphina?«, gab er scharf zurück.
Sie warf den Kopf nach hinten und lachte gekünstelt auf. »Eine Warnung, nicht mehr!«
Justus, Peter und Bob setzten sich leise auf drei Plätze im Hintergrund und hörten zu. Offenbar handelte es sich bei ›Miss Challengers Erben‹ um einen Kriminalfall, bei dem sich die diversen Erben der geheimnisvollen Miss Challenger gegenseitig um Erbe und Leben bringen wollten. Die Rolle der Miss Challenger schien noch nicht besetzt zu sein und wurde von der dunkelhaarigen Souffleuse mit tonloser, viel zu leiser Stimme vorgelesen.
»Das Mädchen kenne ich aus der Schule«, flüsterte Peter seinen Freunden zu.
»Welches?«, fragte Bob, denn mittlerweile befanden sich sechs Leute auf der Bühne.
»Die Souffleuse. Sie heißt Sandy Wherton und ist eine Freundin von Kelly. Ich wusste gar nicht, dass sie mit dem Theater zu tun hat.«
»Interessant«, murmelte Justus. Er konnte sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen Sandy Wherton und Peters blonder Freundin, die das Cheerleader-Team der Highschool anführte.
Das Drama auf der Bühne ging weiter. Die Schauspieler schienen ihre Rollen noch nicht sehr gut zu beherrschen. Immer wieder musste Sandy ihnen aushelfen, und fast jedes Mal fuhr Miss Caroline sie daraufhin scharf an, bis sie den Tränen nahe zu sein schien. Einen Regisseur gab es nicht; die Truppe unterbrach das Stück immer wieder, um sich über Betonungen, Positionen und Handlungen zu zanken.
Nach einer halben Stunde
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