Das Geheimnis der Diva
dass hier im Theater eine Menge Requisiten und Kulissen nicht mehr gebraucht würden. Er hat sie also gekauft und gestern mit einem Kollegen abgeholt. Kurz danach tauchte Mr Pritchard zusammen mit Steven sehr verärgert bei uns auf und schwor, dass er meinen Onkel nie angerufen und die Sachen selbstverständlich nicht verkauft habe. Und heute erschreckt ein seltsames Phantom Miss Caroline. Finden Sie das nicht eigenartig?«
»Ich finde höchstens –«, begann Sid Webber.
In diesem Moment öffnete sich eine schmale, unauffällige Tür hinter der Bühne, und Steven kam herein. Als er die versammelte Truppe sah, zog er die Brauen hoch. »Irgendwas nicht in Ordnung? Verflixt, habe ich meinen Einsatz verpasst?« Dann erkannte er die drei ???. »Was macht ihr denn hier?«
»Zuschauer«, sagte Sid knapp. »Steven, wo waren Sie gerade?«
»Bier wegbringen. Tut mir leid, falls ich dadurch die Szene verpatzt haben sollte, aber es war wirklich dringend.«
»Steven!« Miss Caroline trat einen Schritt vor. »Haben Sie einen Kerl mit Maske und Umhang gesehen? Er muss auf den Gang geflüchtet sein! Er muss Ihnen begegnet sein!«
»Wie bitte? Was für ein Kerl mit Maske? Seit wann üben wir hier für das Phantom der Oper? Muss ich jetzt auf den Kronleuchter aufpassen?«
»Das ist kein Witz«, sagte Sid scharf. »Caroline hat hier neben Ihrem Schaltpult einen maskierten Mann gesehen. Dann ging das Licht aus –«
»Er hat es ausgeschaltet!«, sagte Miss Caroline schrill. »Mit einer scheußlichen schwarzen Hand!«
»Handschuhe vermutlich«, schloss Sid. »Sie haben also niemanden gesehen?«
»Nichts und niemanden«, versicherte Steven.
»Und gehört?«
»Auch nicht.«
»Tja«, sagte ›Ernest‹ in gedehntem Tonfall. »Dann war da vielleicht doch niemand. Du solltest nicht so viele Tabletten einwerfen, Caroline. Mir reicht es für heute. Janice, Franca, kommt ihr noch mit in die Kneipe?«
Die beiden jüngeren Frauen nickten. Sie stiegen die Bühnentreppe hinunter, schnappten ihre Taschen, über die Justus vorhin gestolpert war, und gingen mit ›Ernest‹ zusammen durch den Zuschauerraum zum Ausgang.
Der dunkelhaarige Schauspieler, der in einer Doppelrolle als ›Butler Henry‹ und ›der Gärtner‹ aufgetreten war, hatte sich während des Vorfalls im Hintergrund gehalten. Er war noch recht jung und sah wie ein Rettungsschwimmer am Strand von Malibu aus, wirkte aber ungewöhnlich ernst und verschlossen. »Ich gehe auch«, war alles, was er sagte, bevor er seinen Kollegen folgte.
Während Caroline sich über ›Ernests‹ Unverschämtheit aufregte und Sid sie immer ungeduldiger zu beruhigen versuchte, bis er sie schließlich fast unter Zwang nach draußen führte, schauten sich die drei ??? neugierig am Tatort um. Das Schaltpult war hinter einer Holzwand angebracht, sodass man es von der Bühne aus nicht sehen konnte, der Techniker aber gleichzeitig die Bühne im Blick hatte. Er brauchte nur einen Schritt zur Seite zu treten und war dann ebenfalls nicht mehr zu sehen.
Sandy stand noch immer einigermaßen verloren neben dem Pult, hielt ihre Unterlagen fest und schien nicht zu wissen, was sie tun sollte. Als sich die drei ??? ihr zuwandten, huschte ihr nervöser Blick von einem zum anderen.
»Hallo, Sandy«, sagte Peter enthusiastischer, als er sie je in der Schule begrüßt hatte. »Ich wusste gar nicht, dass du im Theater arbeitest! Wie kommt’s?«
»Ein Ferienjob«, antwortete sie leise. »Aber ich bin nicht sehr gut – ich glaube, sie werden mich nicht behalten.«
»Ach was«, sagte Peter munter. »So etwas lernt man ganz leicht. Das hier sind übrigens Justus und Bob.«
»Ich weiß«, murmelte sie und wurde rot. »Ich muss jetzt gehen.«
»Ich würde dich gerne erst noch etwas fragen«, sagte Justus. Aber da kam Steven zum Schaltpult und sagte: »Ich mache jetzt hier dicht. Wenn ihr etwas zu besprechen habt, dann draußen.« Er klang nicht halb so freundlich wie am vergangenen Tag.
»Was ist los?«, fragte Justus.
»Nichts ist los.« Steven schaltete alle bis auf einen Scheinwerfer auf der Bühne ab. »Ich hatte euch doch gesagt, dass es hier nichts für euch zu tun gibt. Also warum schnüffelt ihr hier herum?«
»Nun«, begann Bob, »dieses Phantom …«
»Existiert nicht«, unterbrach Steven scharf. »Die Frau hat mal wieder ein paar Tabletten zu viel in ihren Gin geworfen. Die sieht andauernd irgendwelche maskierten Kerle.«
»Aber ich würde mich gerne einmal umsehen«, sagte Justus. »Es könnte
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