Das Geheimnis der Götter
Absicht gilt so viel wie die Tat. Erschwerende Umstände: Der Schuldige gehörte zum Königlichen Rat.«
»Gegen diese Entscheidung müssen wir Einspruch erheben.«
»Sie ist endgültig, Nesmontu. In diesen schwierigen Zeiten muss die Rechtsprechung ein Beispiel geben. Nicht einmal der Pharao kann Sehotep jetzt noch helfen.«
»Ein Mitglied des Goldenen Kreises von Abydos wird aufgrund eines gefälschten Beweises zum Tod verurteilt – das kann doch nicht sein!«
Einen Augenblick lang war der alte Soldat so fassungslos, dass er schon an den Sieg des Propheten glaubte. Dann aber gewann sein Kampfgeist wieder die Oberhand, und er überlegte, wie er seine engsten Freunde zusammenrufen, das Gefängnis stürmen und seinen Bruder befreien könnte.
»Komm nur ja nicht auf dumme Gedanken«, riet ihm der Wesir vorsorglich. »Wozu würde so ein Gewaltstreich führen?
Die Aufständischen können jeden Tag mit ihrem Großangriff beginnen. Und dann bist du für unseren Gegenschlag zuständig. Von deinem Vorgehen hängt letztlich das Überleben der ganzen Stadt ab.«
Der Beschützer hatte schon Recht, dass er ihn an seine Pflichten erinnerte.
»Vor allem aber darfst du dein Versteck nicht verlassen. Solltest du gesehen werden, weiß der Anführer der Aufständischen, dass wir ihm eine Falle stellen wollen. Soldaten werden Sehoteps beschlagnahmtes Haus bewachen, wenn sein Besitzer hingerichtet worden ist.«
Sobeks Stimme zitterte. Aber weder er noch der General waren in der Lage, ihre Verzweiflung in Worte zu fassen.
Sobek schlief nur zwei Stunden in der Nacht und hörte nicht auf, sämtliche, auch die allerkleinsten Untersuchungsberichte zu prüfen. Auf diese Weise hoffte er, einen geeigneten Hinweis zu finden, mit dem man die Vollstreckung des Urteils hinauszögern konnte.
Ein Bild, das einen Verdächtigen zeigte, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Irgendwie ähnelte er dem Oberaufseher über die Getreidespeicher, Gergu. Dem Bericht zufolge konnte es sein, dass er mehr oder weniger stark in die Geschichte mit der Tänzerin Olivia verwickelt gewesen war. Und die heimliche Durchsuchung eines Hauses, das einem gewissen Bel-Tran gehörte, hatte etwas Seltsames zu Tage gefördert: Das Haus war voll gestopft mit wertvollen Waren, die entweder gestohlen oder nicht verzollt waren.
Jetzt fiel dem Beschützer auch wieder ein, dass ihn Iker um Nachforschungen über Gergu gebeten hatte. Diese Untersuchungen waren aber damals zunächst ergebnislos geblieben.
Dann gab es noch eine zweite Akte zu derselben Person. Diesmal handelte es sich nicht um einen bloßen Verdacht, sondern um eine in aller Form vorgetragene Klage. Der Leiter der Kornspeicher aus dem Dorf Blühender Hügel beschuldigte Gergu der Gewalttätigkeit, der Erpressung von Lagerbeständen und des Machtmissbrauchs. Zu viele Beamte machten das so, und der Wesir musste hier hart durchgreifen. Wenn sich die Anschuldigungen beweisen ließen, musste der Verbrecher ins Gefängnis.
Vielleicht wäre es aber nicht ungeschickt, ihn zunächst beschatten zu lassen, ehe man ihn festnahm. So ließe sich feststellen, ob er mit den Aufständischen zu tun hatte oder nicht.
MONAT KHOIAK
Fünfter Tag (24. Oktober)
MEMPHIS
»Kannst du für die Wirkung dieses Mittels einstehen?«, fragte Gua, der Arzt.
»Im Namen von Imhotep, dem Heiler, ich verspreche es!«, versicherte ihm Apotheker Renseneb.
»Es kann wirklich zu keinen furchtbaren Folgen oder schrecklichen Nebenwirkungen kommen?«
»Ich habe diese ausgeklügelte Mischung verschiedener Wirkstoffe bereits selbst versucht – sie besteht aus genau bemessenen Mengen von Lotus, Mohn und einem Dutzend anderer seltener Blumen. Eure Patientin wird das Mittel gut vertragen und sich auch nach Beendigung der Hypnose nicht unwohl fühlen. Nur noch ein guter Rat: Stellt nur wenige Fragen, sprecht laut und deutlich und werdet nicht ungeduldig.«
Gua nahm das Säckchen mit den Pillen und begab sich zum Haus von Medes, dem Sekretär des Königlichen Rates, wo ihn dessen Frau bereits sehnsüchtig erwartete.
»Endlich, Gua! Trotz Eurer ausgezeichneten Heilmittel kann ich nicht aufhören zu weinen. Mein Leben ist eine einzige Qual!«
»Ich hatte es Euch ja bereits angekündigt, wir müssen andere Maßnahmen ergreifen.«
»Ich bin zu allem bereit!«
»Kann ich Euren Gatten sprechen?«
»Nein, aufgrund der ernsten Lage kommt er immer erst sehr spät nach Hause. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Es gibt keinen Pharao mehr, keinen Wesir und keinen
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