Das Geheimnis der Goldmine
kann ich mir vorstellen, aber schau, Adele, wir müssen jetzt sehr vorsichtig sein.«
»Aber natürlich, mein Liebling.«
»Nenn mich am Telefon nicht Liebling! Es ist nicht sicher!«
»Übertreibst du es nicht ein wenig, Vivian? Heutzutage nennt doch jeder jeden Liebling.«
»Ja, das stimmt auch wieder. Aber hör zu, ruf mich nicht an und schreib mir vor allem nicht.«
»Aber Vivian – «
»Nur vorübergehend, verstehst du. Wir müssen aufpassen.«
»Ach, schon gut.« Sie klang beleidigt.
»Adele, hör zu. Meine Briefe hast du doch verbrannt, ja?«
Sie zögerte einen winzigen Augenblick, bevor sie antwortete: »Natürlich. Das hab ich dir doch gesagt.«
»Dann ist es ja gut. Ich lege jetzt auf. Ruf mich nicht an, schreib mir nicht. Ich melde mich zu gegebener Zeit.«
Er legte den Hörer auf. Nachdenklich strich er sich über die Wange. Diese winzige Pause hatte ihm nicht gefallen. Hatte Adele die Briefe wirklich verbrannt? Frauen waren doch alle gleich. Sie versprachen etwas und taten es dann doch nicht.
Briefe, dachte Mr Dubois. Immer wollen sie, dass man ihnen Briefe schreibt. Er versuchte ja, vorsichtig zu sein, aber es gelang ihm nicht immer. Was genau hatte er Adele Fortescue geschrieben? Nur den üblichen Schmäh, dachte er. Aber hatte er vielleicht Formulierungen gebraucht, die die Polizei so interpretieren konnte, dass sie ihn beschuldigten? Er erinnerte sich an den Fall Edith Thompson, in dem die Briefe des Liebhabers eine wichtige Rolle gespielt hatten. Seine Briefe waren harmlos gehalten, aber ganz sicher war er sich da nicht mehr. Sein Unbehagen wuchs. Selbst wenn Adele die Briefe nicht verbrannt hatte – wäre sie vernünftig genug, es jetzt zu tun? Oder hatte die Polizei sie am Ende schon gefunden? Wo bewahrte sie sie auf, fragte er sich. Vermutlich in ihrem privaten Salon im ersten Stock. In ihrem lächerlichen, kleinen Schreibtisch, dieser Louis-XIV-Imitation. Sie hatte einmal ein Geheimfach erwähnt. Geheimfach! Das würde die Polizei nicht irreführen. Aber die Polizei war gegangen. Für heute wenigstens. Hatte sie gesagt. Sie waren heute Morgen dort gewesen, aber jetzt waren sie gegangen.
Sie waren bestimmt damit beschäftigt gewesen, etwas über das Gift herauszufinden. Sie hatten wohl noch keine Zeit gehabt, das Haus zu durchsuchen. Vielleicht brauchten sie dazu sogar eine Bewilligung, einen Hausdurchsuchungsbefehl, den sie erst besorgen mussten. Wenn er sofort handelte –
Er sah das Haus vor sich. Die Dämmerung brach schon ein. Der Tee würde entweder in der Bibliothek oder im Salon serviert werden. Alle wären unten versammelt, und das Personal hätte in der Küche den Dienstboten-Tee. Im oberen Stockwerk war um diese Zeit niemand. Im Schutz dieser dichten Eibenhecken konnte er ungesehen den Garten durchqueren. Dann würde er die Seitentür neben der Terrasse öffnen, die erst abends abgeschlossen wurde. Von da konnte er leicht die Treppe hinaufschleichen.
Vivian Dubois überlegte sich seine nächsten Schritte genau. Wenn Fortescues Tod einem Anfall oder einem Infarkt zugeschrieben worden wäre, wie es doch eigentlich der Fall hätte sein müssen, wäre es etwas anderes gewesen. Aber so, wie die Dinge nun einmal lagen – Dubois murmelte zu sich: »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
Mary Dove kam langsam die breite Treppe hinunter. Auf dem Absatz blieb sie einen Augenblick stehen und sah durch das Fenster, durch das sie gestern die Ankunft von Inspektor Neele beobachtet hatte. Als sie jetzt in das Dämmerlicht hinausblickte, sah sie eine Gestalt hinter der runden Eibenhecke verschwinden. Sie fragte sich, ob es wohl Lancelot Fortescue war, der verlorene Sohn. Vielleicht hatte er seinen Wagen beim Tor gelassen und streifte nun durch das Grundstück, in alte Erinnerungen versunken, bevor er sich seiner vermutlich feindseligen Familie stellte. Mary Dove fühlte mit Lance. Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen ging sie nach unten. In der Halle traf sie auf Gladys, die bei ihrem Anblick nervös zurückschreckte.
»Habe ich eben das Telefon gehört?«, fragte Mary. »Wer war es?«
»Falsch verbunden. Jemand, der die Wäscherei wollte.« Gladys klang atemlos und beinahe gehetzt. »Und davor hat Mr Dubois angerufen – er wollte die Herrin sprechen.«
»Verstehe.«
Mary ging durch die Halle. Über die Schulter sagte sie: »Ist es nicht Zeit für den Tee? Haben Sie schon serviert?«
Gladys sagte: »Es ist noch nicht halb fünf, Miss, oder?«
»Es ist
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