Das Geheimnis der Goldmine
sich wieder zum Gehen, aber diesmal, dachte er, ging sie eher widerwillig, als ob sie gern gewusst hätte, was in seinem Kopf vorging. Der undankbare Inspektor empfand nichts als Zorn auf Miss Marple. Sie hatte angedeutet, dass es einen Zwischenfall mit Amseln gegeben hatte, und da waren sie auch schon, die Amseln. Allerdings nicht vierundzwanzig. Sozusagen eine Mustersendung.
Das war aber schon letzten Sommer gewesen, und wie es zu seinem Fall passte, wusste Neele auch nicht. Dieser Amsel-Hokuspokus durfte ihn nicht von der logischen und nüchternen Untersuchung eines Mordes, den ein normaler Mörder aus normalen Motiven begangen hatte, ablenken. Nur musste er wohl von nun an die verrückteren Aspekte auch berücksichtigen.
Fünfzehntes Kapitel
» T ut mir Leid, dass ich Sie noch einmal belästigen muss, Miss Fortescue, aber ich will mir ganz sicher sein. Soweit wir wissen, waren Sie die letzte Person – genau genommen die vorletzte –, die Mrs Fortescue lebend gesehen hat. Ungefähr um fünf vor halb sechs haben Sie die Bibliothek verlassen, ja?«
»Ungefähr«, sagte Elaine. »Ich weiß es nicht genau.« Abwehrend fügte sie hinzu: »Man schaut ja nicht immer auf die Uhr.«
»Nein, natürlich nicht. Worüber haben Sie sich denn unterhalten, nachdem die anderen gegangen und Sie mit Mrs Fortescue allein waren?«
»Ist das wichtig?«
»Vermutlich nicht«, sagte Inspektor Neele. »Aber es könnte mir Aufschluss darüber geben, was in ihr vorging.«
»Meinen Sie – Sie denken doch nicht, sie hat es selbst getan?«
Inspektor Neele registrierte die Erleichterung in ihrer Stimme. Für die Familie wäre das natürlich die günstigste Lösung. Doch Inspektor Neele glaubte keinen Augenblick daran. Adele Fortescue war einfach nicht der Typ. Selbst wenn sie ihren Mann vergiftet hatte und glauben musste, dass man ihr auf der Spur war, hätte sie nicht an Selbstmord gedacht. Viel eher wäre sie optimistisch davon ausgegangen, dass man, auch wenn man ihr den Prozess machte, sie freisprechen würde. Er hatte allerdings nichts dagegen, Elaine in diesem Glauben zu lassen. Also fuhr er, so wahrheitsgetreu wie möglich, fort: »Das ist immerhin eine Möglichkeit, Miss Fortescue. Also, möchten Sie mir vielleicht sagen, worüber Sie sich unterhalten haben?«
»Nun, es ging um meine Angelegenheiten.« Elaine zögerte.
»Und Ihre Angelegenheiten sind…?« Er verstummte fragend und mit wohlwollendem Ausdruck.
»Ich – ein Freund von mir hält sich in der Gegend auf und ich fragte Adele, ob sie etwas dagegen hätte, wenn ich ihn hier ins Haus einladen würde.«
»Ah. Und wer ist dieser Freund?«
»Gerald Wright. Er ist Lehrer. Er – er wohnt im Golf Hotel.«
»Ein sehr enger Freund?«
Inspektor Neele gab sich onkelhaft und sah dabei gleich fünfzehn Jahre älter aus. »Werden wir bald aufregende Neuigkeiten haben?«
Die ungeschickte Handbewegung und das tiefe Erröten des jungen Mädchens berührten ihn beinahe unangenehm. Ja, sie war eindeutig in diesen Kerl verliebt.
»Wir – nun, wir sind nicht offiziell verlobt, und natürlich haben wir es noch nicht bekannt gegeben, aber… nun ja, ich glaube, wir werden… ich meine, wir wollen heiraten.«
»Herzlichen Glückwunsch! Mr Wright wohnt im Golf Hotel, sagten Sie. Seit wann ist er da?«
»Ich habe ihm ein Telegramm geschickt, als Vater starb.«
»Und er kam sofort. Verstehe.« Neele gab seiner Standard-Redensart einen freundlichen und beruhigenden Klang.
»Was hat Mrs Fortescue geantwortet?«
»Oh, sie sagte, ich könne einladen, wen ich wolle.«
»Also hat sie es wohlwollend aufgenommen.«
»Das nicht gerade. Ich meine, sie sagte – «
»Was sagte sie?«
Elaine errötete wieder. »Ach, etwas Hässliches – dass ich doch nun eine bessere Partie machen könnte. Typisch für Adele.«
»Nun ja. Verwandte sagen manchmal solche Dinge.«
»Ja. Ja, das tun sie. Manche Leute können Gerald einfach nicht wirklich würdigen. Er ist ein Intellektueller, wissen Sie, und er hat unkonventionelle, progressive Ideen, die nicht allen Leuten gefallen.«
»Hat er sich deshalb mit Ihrem Vater nicht verstanden?«
Das Erröten vertiefte sich.
»Vater war voreingenommen und sehr ungerecht. Er hat Gerald zutiefst beleidigt. Er war so verletzt, dass er ging und wochenlang nichts von sich hören ließ.«
Und wenn dein Vater nicht gestorben wäre und dir einen Haufen Geld hinterlassen hätte, würdest du auch heute nichts von ihm hören, dachte Neele. Laut sagte er:
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