Das Geheimnis der Goldmine
jemanden angetroffen?«
»Angetroffen?« Sie starrte ihn an. »Wie meinen Sie das?«
»Ich fragte mich nur, ob Sie jemanden gesehen haben – oder ob jemand Sie gesehen hat auf diesem Spaziergang.«
»Den Gärtner habe ich von weitem gesehen. Sonst niemanden.« Sie schaute ihn misstrauisch an.
»Dann kamen Sie herein, gingen in Ihre Wohnung und zogen gerade Ihren Mantel aus, als Miss Dove hereinkam?«
»Ja. Ja, und dann ging ich hinunter.«
»Und wer war schon da?«
»Adele und Elaine, und ein oder zwei Minuten später kam Lance an. Mein Schwager, wissen Sie. Der aus Kenia zurückgekommen ist.«
»Und dann tranken Sie alle Ihren Tee.«
»Ja, und dann ging Lance nach oben, um Tante Effie guten Tag zu sagen, und ich ging wieder zu meinen Briefen. Ich ließ Elaine bei Adele.«
Er nickte aufmunternd. »Ja, Miss Fortescue ist ungefähr fünf oder zehn Minuten länger bei Mrs Fortescue geblieben. War Ihr Mann noch nicht zu Hause?«
»Oh nein. Percy – Val – kam nicht vor halb sieben, sieben nach Hause. Er wurde in der Stadt aufgehalten.«
»Ist er mit dem Zug zurückgekommen?«
»Ja. Am Bahnhof nahm er ein Taxi.«
»War das ungewöhnlich, dass er den Zug nahm?«
»Ab und zu tut er das. Nicht sehr oft. Ich glaube, er musste in eine Stadtgegend, wo man schlecht parken kann. Es war einfacher für ihn, den Zug zu nehmen.«
»Verstehe«, sagte Inspektor Neele. »Ich habe Ihren Mann gefragt, ob Mrs Fortescue vor ihrem Tod ein Testament aufgesetzt hat. Er sagte, er glaube es nicht. Wissen Sie etwas?«
Zu seiner Überraschung nickte Jennifer Fortescue energisch.
»Oh ja«, sagte sie. »Adele hat ein Testament gemacht. Sie hat es mir gesagt.«
»Tatsächlich! Wann war das?«
»Oh, noch nicht sehr lange her – vor einem Monat, glaube ich.«
»Das ist sehr interessant«, sagte Inspektor Neele.
Eifrig beugte sich Mrs Percival vor. Ihr Gesicht war nun ganz belebt. Sie genoss es, für ein Mal mehr zu wissen und dieses Wissen zu teilen.
»Val wusste nichts davon. Niemand wusste etwas. Ich habe es auch nur zufällig erfahren. Ich kam gerade aus dem Schreibwarengeschäft, als ich Adele aus dem Anwaltsbüro kommen sah. Ansell & Worrall, wissen Sie, an der High Street.«
»Ah«, sagte Neele. »Die lokalen Anwälte?«
»Ja. Und ich sagte zu Adele: ›Was machst du denn hier?‹ Und sie lachte und sagte: ›Das würdest du wohl gerne wissen.‹ Und als wir zusammen die Straße entlanggingen, sagte sie: ›Ich werde es dir sagen, Jennifer. Ich habe mein Testament aufgesetzt.‹ – ›Aber warum denn, Adele?‹, antwortete ich. ›Du bist doch nicht krank oder so was?‹ Und sie sagte nein, natürlich nicht, sie hätte sich nie besser gefühlt. Aber jeder sollte ein Testament haben. Sie wollte nicht zu diesem arroganten Familienanwalt nach London, zu Mr Billingsley. Sie sagte, der alte Heuchler würde es nur der Familie erzählen. ›Nein‹, sagte sie, ›mein Testament ist meine Sache, Jennifer, und ich mache es auf meine Art und niemand soll etwas wissen.‹ – ›Nun, Adele‹, sagte ich, ›ich werde es bestimmt niemandem sagen!‹ – ›Das ist auch egal‹, sagte sie, ›du weißt ja nicht, was drin steht!‹ Aber ich habe niemandem etwas gesagt, nicht einmal Percy. Frauen müssen zusammenhalten, finden Sie nicht, Inspektor?«
»Das ist eine noble Haltung, Mrs Fortescue.«
»Missgünstig bin ich bestimmt nicht«, sagte Jennifer. »Ich mochte Adele nicht besonders, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich hielt sie für den Typ, der vor nichts zurückschreckt, um ans Ziel zu gelangen. Und jetzt ist sie tot. Vielleicht habe ich sie falsch eingeschätzt, die arme Seele.«
»Nun, vielen Dank, Mrs Fortescue, Sie haben mir sehr geholfen.«
»Das ist sehr gern geschehen. Ich bin froh, wenn ich etwas tun kann. Es ist alles so schrecklich. – Wer ist denn eigentlich die alte Dame, die heute früh angekommen ist?«
»Eine Miss Marple. Sie kam freundlicherweise her, um uns Auskunft über Gladys zu geben. Sie hat Gladys ausgebildet.«
»Wirklich? Wie interessant.«
»Nur noch eines, Mrs Percival. Wissen Sie irgendetwas über Amseln?«
Jennifer Fortescue zuckte sichtlich zusammen. Sie ließ ihre Handtasche fallen und bückte sich, um sie aufzuheben. »Amseln, Inspektor? Amseln? Was für Amseln?«
Ihre Stimme klang atemlos. Inspektor Neele lächelte ein wenig, als er antwortete: »Einfach Amseln. Tote, lebendige oder sogar, sagen wir, symbolische?«
Scharf antwortete Jennifer Fortescue: »Ich weiß nicht, was Sie
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