Das Geheimnis der Goldmine
einem jungen Mann, dem nichts an ihr liegt, und in ihrem tiefsten Innersten weiß sie das auch. Oh, wie gern ich von hier fort möchte!«
Sie sah Miss Marple an und lächelte plötzlich. »Wissen Sie, Lance hat mir geraten, mich an Sie zu halten. Er glaubt, bei Ihnen sei ich sicher.«
»Ihr Mann ist kein Narr.«
»Nein, Lance ist kein Narr. Jedenfalls nicht immer. Ich wünschte nur, er würde mir sagen, wovor er sich fürchtet. Etwas scheint mir klar zu sein. In diesem Haus lebt ein Verrückter und das macht einem natürlich Angst. Man weiß ja nicht, wie ein Verrückter funktioniert. Man weiß nie, was er als Nächstes tut.«
»Armes Kind«, sagte Miss Marple.
»Oh, mir geht es gut, wirklich. Ich sollte langsam abgehärtet sein.«
Sanft erkundigte sich Miss Marple: »Sie haben wohl schon genug Unglück erlebt, meine Liebe?«
»Oh, ich war auch sehr glücklich. Ich hatte eine wunderbare Kindheit in Irland, Reiten, Pferdejagden und ein riesiges, karges, zugiges Haus voller Sonnenschein. Eine glückliche Kindheit kann einem niemand mehr wegnehmen, nicht? Erst später, als ich erwachsen wurde, begann alles schief zu gehen. Mit dem Krieg hat es angefangen.«
»Ihr erster Mann war Kampfpilot?«
»Ja. Wir waren erst einen Monat verheiratet, als er abgeschossen wurde.« Sie starrte vor sich hin ins Feuer. »Zuerst dachte ich, ich müsste auch sterben. Es war so ungerecht, so grausam. Und doch, mit der Zeit glaubte ich beinahe, es sei am besten so. Don war wundervoll im Krieg. Tapfer und tollkühn und fröhlich. Er hatte alle Eigenschaften, die man im Krieg braucht. Aber der Friede hätte ihm, glaube ich, weniger entsprochen. Er hatte einen, wie soll ich sagen, beinah arroganten Ungehorsam. Er hätte sich nur schwer unterordnen oder anpassen können. Er hätte sich aufgelehnt. Auf gewisse Weise war er beinahe asozial. Nein, er hätte sich nicht angepasst.«
»Das ist sehr weise, meine Liebe.« Miss Marple beugte sich über ihre Strickarbeit, nahm eine Masche auf und zählte halblaut: »Drei glatt, zwei verschränkt, zwei zusammen.« Laut sagte sie: »Und Ihr zweiter Mann?«
»Freddy? Freddy hat sich erschossen.«
»Ach, meine Liebe. Wie traurig. Was für eine Tragödie.«
»Wir waren so glücklich«, sagte Pat. »Nach ungefähr zwei Jahren Ehe begann ich zu sehen, dass Freddy nicht immer… nicht immer den rechten Weg ging. Nach und nach fand ich heraus, wie er wirklich sein Geld verdiente. Aber es machte mir nichts aus. Denn Freddy liebte mich, und ich liebte ihn. Ich versuchte, meine Augen zu verschließen. Das war natürlich feige, aber ich hätte ihn doch nicht ändern können. Man kann einen Menschen nicht ändern.«
»Nein«, sagte Miss Marple, »man kann einen Menschen nicht ändern.«
»Ich hatte ihn genommen und geliebt und geheiratet, wie er war, und ich fand, ich müsse das nun ertragen. Dann ging eine Sache schief, er konnte die Konsequenzen nicht auf sich nehmen und erschoss sich. Nach seinem Tod flog ich nach Kenia zu Freunden. Ich konnte nicht in England bleiben, wo ich ständig alten Bekannten begegnete, die über alles Bescheid wussten. Und in Kenia habe ich Lance kennen gelernt.«
Ihr Gesicht veränderte sich, wurde weicher. Sie schaute immer noch ins Feuer, und Miss Marple schaute sie an. Dann wandte Pat den Kopf und fragte: »Miss Marple, was halten Sie wirklich von Percival?«
»Nun, ich habe ihn nur beim Frühstück gesehen. Ich glaube, er ist von meiner Gegenwart nicht sehr angetan.«
Pat lachte plötzlich: »Er ist geizig, müssen Sie wissen. Furchtbar knauserig. Jennifer leidet auch darunter. Er geht die Buchhaltung mit Miss Dove durch. Beklagt sich über jeden Posten. Aber Miss Dove lässt sich nicht einschüchtern. Sie ist wundervoll, finden Sie nicht?«
»Ja, das ist sie. Sie erinnert mich an Mrs Latimer in meinem Dorf, St. Mary Mead. Sie leitete den Freiwilligen Frauenkreis und die Pfadfinderinnen und eigentlich beinahe alles im Ort. Erst nach ungefähr fünf Jahren entdeckten wir, dass – aber ich sollte nicht klatschen. Es gibt nichts Langweiligeres als Geschichten über Orte und Menschen, die man nie gesehen hat und nie kennen lernen wird. Sie müssen mir schon vergeben, meine Liebe!«
»St. Mary Mead muss ein richtig nettes Dorf sein.«
»Nun, ich weiß nicht, was Sie unter einem richtig netten Dorf verstehen, aber es ist bestimmt hübsch. Viele nette Leute leben da, und einige höchst unangenehme. Eigenartige Dinge geschehen, wie in jedem Dorf. Die menschliche Natur ist
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