Das Geheimnis der Goldmine
Haus zu haben. Aber ein eigenes Haus ist etwas anderes. Da stimmen Sie mir doch zu?«
Miss Marple stimmte ihr zu.
»Zum Glück ist unser Haus beinah bezugsbereit. Ich muss nur noch die Maler und Innenarchitekten loswerden. Diese Leute sind ja so langsam. Mein Mann ist hier natürlich ganz zufrieden. Aber für einen Mann ist es etwas anderes. Finden Sie nicht?«
Miss Marple fand das allerdings auch. Das konnte sie mit gutem Gewissen sagen, da es wirklich ihrer Meinung entsprach. »Die Herren« waren für Miss Marple eine völlig andere Gattung als ihr eigenes Geschlecht. Sie verlangten zwei Eier mit Speck zum Frühstück, drei nahrhafte Mahlzeiten täglich, sie wollten nicht, dass man ihnen widersprach, schon gar nicht vor dem Abendessen.
Mrs Percival fuhr fort: »Mein Mann ist den ganzen Tag in der Stadt, verstehen Sie. Wenn er nach Hause kommt, ist er müde und will seine Zeitung lesen. Ich hingegen bin den ganzen Tag hier allein und habe niemanden zur Gesellschaft. Ich bin ja wirklich gut versorgt und alles. Ausgezeichnetes Essen. Aber ich finde, man braucht doch einen passenden Bekanntenkreis. Und die Leute hier sind einfach nicht meine Art. Die einen nenne ich die angeberische, Bridge spielende Klasse. Nicht nettes Bridge, ich meine, ich spiele selber ganz gern eine Partie, aber hier sind natürlich alle sehr reich. Sie spielen um enorme Summen, und es wird auch wahnsinnig viel getrunken. Man könnte sie fast schon den lokalen Jetset nennen. Dann ist da ein Grüppchen von, wie soll ich sagen, alten Jungfern, die am liebsten draußen in ihrem Garten herumwerkeln.«
Miss Marple sah etwas schuldbewusst drein – sie war selber eine leidenschaftliche Gärtnerin.
»Gegen die Toten soll man ja nichts sagen«, fuhr Mrs Fortescue schnell fort, »aber es besteht kein Zweifel, dass mein Schwiegervater eine sehr törichte zweite Ehe eingegangen war. Meine… ich kann sie nicht gut Schwiegermutter nennen, sie war in meinem Alter. Sie war mannstoll! Das ist die Wahrheit, absolut mannstoll. Und wie sie das Geld ausgab! Mein Schwiegervater war verrückt nach ihr. Er kümmerte sich nicht um ihre Rechnungen. Percy hat das sehr getroffen, wirklich, tief getroffen. Percival ist doch immer so sparsam. Er hasst Verschwendung. Und Mr Fortescue war so eigenartig und übellaunig, mit seinen furchtbaren Wutanfällen, und das Geld floss wie Wasser durch seine Hände, für diese absurden Spekulationen. Nein, es war nicht immer schön!«
Miss Marple erlaubte sich eine Bemerkung: »Das alles muss Ihren Mann doch auch beunruhigt haben.«
»Oh ja, sehr. Das ganze letzte Jahr war Percy sehr in Sorge. Es hat ihn verändert. Wie er sich mir gegenüber verhielt, wissen Sie. Manchmal antwortete er nicht einmal, wenn ich mit ihm sprach.«
Mrs Percy seufzte und fuhr fort: »Und dann Elaine, meine Schwägerin, wissen Sie, ein sehr eigenartiges Mädchen. Eine Frischluftfanatikerin, sehr sportlich. Nicht gerade unfreundlich, aber auch nicht mitfühlend, wissen Sie. Sie wollte nie nach London zum Einkaufen fahren oder in eine Matineevorstellung oder irgendetwas in der Art. Sie interessiert sich nicht einmal für Kleider.«
Mrs Percival seufzte wieder und murmelte: »Aber ich will mich ja nicht beklagen.« Plötzlich holte sie ihr Gewissen ein, und sie sagte schnell: »Sie müssen sich ja wundern, was ich Ihnen alles erzähle, und dabei kennen wir uns nicht einmal. Es ist die Erschöpfung, der Schock – ja, ich glaube wirklich, es ist der nachträgliche Schock. Ich bin so nervös, wissen Sie. Ich musste einfach mit irgendjemandem reden. Sie erinnern mich an diese nette alte Dame, Miss Trefusis James. Sie hatte sich den Oberschenkelhals gebrochen, als sie fünfundsiebzig war. Es dauerte lange, bis ich sie gesund gepflegt hatte, und am Ende waren wir Freundinnen. Sie hat mir eine Pelzmütze zum Abschied geschenkt, das war sehr lieb.«
»Ich weiß genau, wie Sie sich fühlen«, sagte Miss Marple.
Und wieder sagte sie die Wahrheit. Mrs Percival langweilte offensichtlich sogar ihren Mann, der ihr wenig Aufmerksamkeit schenkte, und die arme Frau hatte hier keine Freunde gefunden. So flüchtete sie nach London in die Läden und Matineen und in ein luxuriöses neues Haus, doch all das füllte die Leere nicht aus, die das Fehlen zwischenmenschlicher Beziehungen hinterließ.
»Ich hoffe, Sie halten mich nicht für unhöflich«, sagte Miss Marple in ihrer Reizende-alte-Damen-Stimme. »Aber es klingt nicht gerade so, als sei der verstorbene Mr Fortescue
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