Das Geheimnis der Goldmine
ein sehr netter Mann gewesen.«
»Nein, das war er wirklich nicht. Ganz ehrlich, meine Liebe, ganz unter uns, er war ein verabscheuenswerter alter Mann. Es überrascht mich nicht, wirklich nicht, dass ihn schließlich jemand umgebracht hat.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wer – « Miss Marple unterbrach sich. »Oje, das sollte ich vielleicht nicht fragen – irgendeine Ahnung, wer es, nun, getan haben könnte?«
»Ich glaube, es war dieser schreckliche Mann Crump«, sagte Mrs Percival. »Ich habe ihn nie gemocht. Seine Manieren – er ist nicht offen unhöflich, und doch ist sein Benehmen im Grunde unhöflich, oder eher noch unverschämt.«
»Müsste er nicht ein Motiv haben?«
»Solche Leute brauchen doch kein Motiv. Ich kann mir vorstellen, dass Mr Fortescue ihn wegen irgendetwas verärgert hat, und natürlich trinkt er zu viel. Ich glaube, er ist einfach unausgeglichen, wissen Sie. Wie dieser Diener, war es nicht auch ein Butler? Der damals im Haus herumlief und all diese Leute erschossen hat. Natürlich, um ganz ehrlich zu sein, habe ich zuerst Adele verdächtigt, aber dann wurde sie selber vergiftet. Man könnte natürlich annehmen, dass sie Crump zur Rede gestellt hat. Und dann verlor er den Kopf und vielleicht hat er etwas in die Brötchen getan, und Gladys hat ihn dabei beobachtet, und dann musste er sie auch töten… Ich finde es wirklich unvorsichtig, ihn weiter zu behalten. Ach Gott, ich wünschte, ich könnte wegfahren, aber diese furchtbaren Polizisten würden mich ja doch nicht weglassen.« Impulsiv beugte sie sich vor und legte eine pummelige Hand auf Miss Marples Arm. »Manchmal habe ich einfach das Gefühl, ich müsse hier weg, weg von allem. Ich möchte weglaufen, einfach weglaufen, wenn nicht bald etwas passiert!«
Sie lehnte sich zurück und beobachtete Miss Marples Gesicht. »Aber das wäre wohl unvernünftig.«
»Ja, meine Liebe, bestimmt. Die Polizei würde Sie bald finden, wissen Sie.«
»Sind Sie sicher? Glauben Sie wirklich, dass die so schlau sind?«
»Es ist sehr unklug, die Polizei zu unterschätzen. Gerade Inspektor Neele scheint mir ein außergewöhnlich intelligenter Mann zu sein.«
»Oh – und ich hielt ihn für ziemlich dumm.«
Miss Marple schüttelte den Kopf.
»Ich kann mir nicht helfen…« Jennifer Fortescue zögerte: »Ich habe das Gefühl, es sei gefährlich, hier zu bleiben.«
»Gefährlich für Sie?«
»Nun…ja.«
»Weil Sie etwas wissen?«
Mrs Percival atmete tief ein. »Ach nein, natürlich nicht. Was sollte ich schon wissen? Ich bin nur nervös. Dieser Crump – «
Doch es war nicht Crump, der sie nervös machte, dachte Miss Marple. Sie sah zu, wie Jennifer Fortescue ihre Hände zu Fäusten ballte und wieder öffnete. Aus irgendeinem Grund empfindet sie echte Angst, dachte Miss Marple.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
E s wurde dunkel. Miss Marple hatte ihr Strickzeug zum Fenster in der Bibliothek hinübergenommen. Sie sah Pat Fortescue auf der Terrasse auf und ab gehen. Miss Marple entriegelte das Fenster und rief: »Kommen Sie doch herein, meine Liebe, kommen Sie herein! Es ist viel zu kalt und feucht für Sie da draußen, und ohne Mantel!«
Pat folgte dem Ruf. Sie kam herein, schloss das Fenster und drehte zwei der Lampen an.
»Ja«, sagte sie. »Kein besonders freundlicher Nachmittag.«
Sie setzte sich zu Miss Marple auf das Sofa. »Was stricken Sie denn?«
»Ach, nur eine kleine Morgenjacke, meine Liebe. Für ein Baby. Ich sage immer, eine junge Mutter kann gar nicht genug Morgenjäckchen für ihr Kind haben. Es ist Größe zwei, ich stricke immer Größe zwei. Aus der ersten wachsen sie so schnell heraus.«
Pat streckte ihre langen Beine zum Feuer aus.
»Es ist angenehm hier drinnen«, sagte sie. »Mit dem Kaminfeuer und den Lampen, und Sie hier, die Babysachen stricken. Es ist gemütlich und heimelig, wie England sein sollte.«
»Wie England ist«, sagte Miss Marple. »So viele Häuser Zur Eibe gibt es hier auch wieder nicht, meine Liebe.«
»Gott sei Dank nicht«, sagte Pat. »Ich glaube nicht, dass das je ein glückliches Haus gewesen ist. Ich glaube nicht, dass irgendjemand hier je glücklich gewesen ist. Trotz ihrem Geld und all den teuren Sachen.«
»Nein«, stimmte Miss Marple zu, »ich würde es auch nicht als glückliches Haus bezeichnen.«
»Vielleicht war Adele glücklich«, sagte Pat. »Ich habe sie nie kennen gelernt, also kann ich es natürlich nicht wissen. Jennifer ist recht verzweifelt, und Elaine verzehrt sich nach
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