Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
angebracht war. Es verbarg den Einstieg in ein System von Gängen, die hinter, über und unter den Mauern des Hochhorsts verliefen. Rachel, die nun schon viele Wochen in dieser Zwischenwelt hauste, staunte immer noch über das Spinnennetz dieser Geheimgänge, die sie ihr Leben lang umgeben hatten, so unbemerkt und unerkannt wie ein Irrgarten von Maulwurfstunneln unter einem kunstvoll angelegten Garten.
Jetzt weiß ich, wohin Simon dieser Schlingel immer verschwand. Bei der gesegneten Mutter, es ist kein Wunder, dass ich manchmal dachte, der Junge sei wie vom Erdboden verschluckt, wenn es ans Arbeiten ging.
Sie trat hinaus in den mittleren Raum der Küche, wobei sie sich so lautlos bewegte, wie ihre alten steifen Knochen es zuließen. Es lebten nicht mehr viele Menschen in der gewaltigen Burg – die weißgesichtigen Dämonen des Königs betrachtete Rachel nicht als Menschen –, aber in den unzähligen leerstehenden Räumen des Hochhorsts hatten noch ein paar Söldner aus den Thrithingen und anderen Provinzen ihre Quartiere. Barbaren wie diese waren es, davon war Rachel überzeugt, die Judiths Küche in diesen schauderhaften Zustand versetzt hatten. Was diese Scheusale von Teufelsnornen anging, so nahmen sie gewiss keine irdische Nahrung zu sich. Höchstwahrscheinlich tranken sie Blut, wenn man dem Buch Ädon vertrauen konnte – und Rachel hatte sich bisher immer auf die Worte der Heiligen Schrift und der Priester verlassen können.
Sie fand nirgends etwas zu essen, das auch nur annähernd genießbar gewesen wäre. Schon mehrere Krüge hatte sie geöffnet und feststellen müssen, dass der mit blauem oder weißem Schimmel bedeckte Inhalt verdorben war. Nach langer, geduldiger Suche stießsie jedoch auf zwei kleine Töpfe mit gepökeltem Rindfleisch und einen Krug mit Salzgemüse, der unter einen der Tische gerollt und übersehen worden war. Außerdem entdeckte sie in einer der Speisekammern drei in eine Serviette gewickelte Brotlaibe, hart und altbacken. Obwohl sie das Stück, das sie zur Probe von einem der Brote abgebrochen hatte, nur unter Schmerzen kauen konnte – Rachel hatte nur noch wenige Zähne und war ziemlich sicher, dass Nahrung wie diese auch den übrigen den Rest geben würde –, erwies es sich als essbar, und wenn man es in die Pökellake tauchte, würde es eine erfreuliche Abwechslung darstellen. Trotzdem hatte ihr heutiger Raubzug recht wenig eingebracht. Wie lange noch würde sie von dem leben können, was sie aus den vernachlässigten Vorratskammern des Hochhorsts stahl? Sie dachte an die Zukunft und schauderte. Es war grausam kalt in der Burg, selbst in der felsigen Festung der inneren Gänge. Wie lange konnte sie durchhalten?
Sie wickelte die Beute in ihren Schal und zerrte das schwere Bündel über den Boden auf den Schrank und die verborgene Tür zu. Dabei bemühte sie sich nach Kräften, die Spuren im Mehl zu verwischen. Sobald sie den Wandschrank erreicht hatte – hierhin war das Mehl, das auf unheimliche Weise an den Schnee draußen erinnerte, noch nicht geweht –, packte sie die Sachen noch einmal für einen Augenblick aus und beseitigte mit dem Schal alle Spuren, damit sich niemand über Fußabdrücke wundern würde, die in einem unbenutzten Schrank verschwanden und nicht wieder herauskamen.
Gerade wickelte sie die gefundenen Speisen wieder ein, als sie draußen im Gang Stimmen hörte. Gleich darauf schwangen die großen Küchentüren auf. Rachels Herzschlag begann zu rasen. Sie beugte sich vor, fasste mit zitternden Fingern den Vorhang und zog ihn genau in der Sekunde zu, als die äußere Küchentür an die Wand krachte und schwere Stiefelschritte über die Steinfliesen hallten.
»Verdammt soll er sein mit seinem grinsenden Gesicht! Wo steckt er!«
Rachel erkannte die Stimme des Königs.
»Ich weiß, dass ich hier jemanden gehört habe!«, schrie Elias. Mit lautem Knall wurde etwas von einem der zerkratzten Tische gefegt, dann vernahm man das rhythmische Stampfen eines Mannes, der inder großen, langgestreckten Küche auf und ab marschierte. »Ich höre alles in dieser Burg, jeden Schritt, jedes Murmeln, bis mir der Kopf davon dröhnt. Er muss hier gewesen sein. Wer könnte es sonst gewesen sein?«
»Ich sagte Euch schon, Majestät, dass ich es nicht weiß.«
Das Herz der Obersten der Kammerfrauen stockte zwischen zwei Schlägen. Die Stimme gehörte Pryrates. Sie dachte daran, wie er vor ihr gestanden hatte – ihr Messer ragte aus seinem Rücken, und doch war es nicht
Weitere Kostenlose Bücher