Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
tödlicher gewesen als ein Zweig, mit dem die Kinder spielten –, und fühlte, wie sie zusammenbrach. Sie streckte die Hand aus, um sich zu stützen, und streifte einen kupfernen Dreifuß, der an der Wand hing. Er begann zu schaukeln. Rachel packte ihn und hielt ihn von der Mauer weg, damit er nicht scheppernd dagegenschlug.
Wie eine Ratte! Ihre Gedanken bestanden nur aus wilden Bruchstücken. Wie eine Ratte. Gefangen in der Wand. Katzen davor.
»Ädon versenge und verbrenne ihn, er darf mir nicht von der Seite!« Es schien fast, als klinge Rachels eigene Panik aus der heiseren Stimme des Königs, der am Rande eines Ausbruchs rätselhafter Verzweiflung zu stehen schien. »Hengfisk!«, schrie er. »Verdammnis über deine Seele! Wo bist du?« Das Geräusch seines wütenden Aufund Abgehens war von neuem hörbar. »Wenn ich ihn finde, drehe ich ihm den Hals um.«
»Ich werde Euch den Becher bereiten, Majestät. Unverzüglich. Kommt jetzt.«
»Es ist nicht das allein. Was tut er gerade? Wo könnte er sein? Er hat kein Recht, sich herumzutreiben!«
»Bestimmt kommt er bald wieder«, meinte der Priester. Es klang ungeduldig. »Seine Bedürfnisse sind gering und leicht gestillt. Kommt nun, Elias, wir wollen in Eure Gemächer zurückgehen.«
»Er versteckt sich!« Die Schritte des Königs wurden plötzlich lauter. Er blieb stehen, und Rachel hörte das Quietschen von Angeln, als er an einer der zerbrochenen Türen riss. »Er verbirgt sich irgendwo in den Schatten!«
Die Schritte kamen näher. Rachel hielt den Atem an und erstarrte zu Stein. Sie hörte, wie der König auf sie zukam. Unter zornigemGemurmel zerrte er an Türen und trat Haufen heruntergefallener Wandbehänge zur Seite.
Ihr wurde schwindlig. Dunkelheit schien sich über sie zu senken, eine von tanzenden Lichtfunken durchsetzte Dunkelheit.
»Majestät!« Pryrates’ Stimme klang scharf. Der König hörte auf, um sich zu schlagen. In der Küche wurde es still. »Das führt zu nichts. Kommt. Lasst mich Euren Becher bereiten. Ihr seid übermüdet.«
Elias stöhnte leise auf, ein furchtbarer Laut wie von einem Tier in Todesnöten. Endlich sagte er: »Wann wird das alles ein Ende haben, Pryrates?«
»Bald, Majestät.« Die Stimme des Priesters nahm wieder den besänftigenden Tonfall an. »Am Vorabend der Egge wird das Ritual vollzogen. Nach der Jahreswende wird dann der Stern erscheinen, das Zeichen für den Anbruch der letzten Tage. Wenig später wird Euer Warten ein Ende haben.«
»Manchmal kann ich die Schmerzen nicht mehr ertragen, Pryrates. Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt etwas auf der Welt gibt, für das sich solche Schmerzen lohnen.«
»Gewiss ist das größte Geschenk von allen jeden Preis wert, Elias.« Pryrates’ Schritte kamen näher. »So wie Euer Schmerz alles übertrifft, das andere ertragen müssen, so ist auch Euer Mut größer als der aller anderen Menschen. Eure Belohnung wird dementsprechend großartig sein.«
Die beiden Männer entfernten sich. Rachel stieß mit fast lautlosem Zischen den Atem aus.
»Ich verbrenne.«
»Ich weiß, mein König.« Hinter ihnen schlugen die Türen zu.
Rachel der Drachen sackte auf dem Schrankboden zusammen. Mit zitternder Hand schlug sie das Zeichen des Baumes.
Guthwulf spürte Stein im Rücken und Stein unter den Füßen und hatte doch im selben Moment den deutlichen Eindruck, am Rande eines tiefen Abgrunds zu stehen. Er knickte in den Knien ein undtastete sich vorwärts, klopfte auf den Boden und war überzeugt, jeden Augenblick mit der Hand durch leere Luft zu fahren. Aber vor ihm lag nichts weiter als der endlose Steinfußboden des Ganges.
»Gott steh mir bei, ich bin verflucht!«, rief er laut. Seine Stimme klirrte und brach sich an einer fernen Decke, wo sie für kurze Zeit den wispernden Chor übertönte, der ihn schon so lange umgab. »Verflucht!« Er fiel vornüber wie zum Gebet, bettete das Gesicht auf die ausgestreckten Hände und weinte.
Er wusste nur, dass er sich irgendwo unter der Burg befinden musste. Seit jenem Augenblick, als er durch die unsichtbare Tür getreten war, um vor den Flammen zu fliehen, die so heiß loderten, dass er sicher war, sie würden ihn zu Asche verbrennen, seit damals also wanderte er verloren wie eine verdammte Seele durch dieses Labyrinth der Tiefe, so lange, dass er sich nicht mehr an das Gefühl von Wind und Sonnenschein auf dem Gesicht erinnern, sich keine andere Speise mehr vorstellen konnte als kalte Würmer und Käfer. Und immer waren diese
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