Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
seinen raschen Verstand bereits einen gewissen Ruf erworben. Nachdem Morgenes sich lange mit Xorastra und den beiden Mitgliedern aus dem Norden besprochen hatte, stimmte er der Aufnahme dieser beiden Neulinge zu. Als wir uns im darauffolgenden Jahr alle in Trestolts Langhaus in Tungoldyr trafen, hatte der Bund der Schriftrolle die volle Siebenzahl wieder erreicht.«
Cadrachs Worte waren schwer und langsam geworden. Als er nach einer Weile innehielt, dachte Miriamel schon, er sei eingeschlafen. Aber er sprach weiter, und seine Stimme klang erschreckend hohl. »Besser wäre es gewesen, sie hätten keinen von uns aufgenommen. Besser, der Bund selbst wäre ausgelöscht worden.«
Er schwieg. Miriamel richtete sich auf. »Was meint Ihr, Cadrach? Was könnt Ihr so Furchtbares getan haben?«
Er stöhnte. »Nicht ich, Prinzessin – meine Sünden kamen später. Nein, das Unglück geschah, als wir den jungen Priester zu einem der Unseren machten … es war Pryrates.«
Miriamel holte tief Atem. Trotz ihrer wärmer gewordenen Gefühle für Cadrach hatte sie den Eindruck, das Netz einer schrecklichen Verschwörung ziehe sich über ihr zusammen. Standen denn alle ihre Feinde miteinander im Bunde? Spielte der Mönch noch einzweites, heimliches Spiel, das sie ihm nun, hier mitten auf dem öden Meer, ganz in die Hände geliefert hatte? Dann dachte sie an den Brief, den ihr Gan Itai gebracht hatte.
»Aber das hattet Ihr mir ja schon erzählt«, sagte sie erleichtert. »Ihr habt mir geschrieben, Ihr hättet Pryrates zu dem gemacht, was er ist.«
»Wenn ich das geschrieben habe«, versetzte Cadrach traurig, »dann habe ich vor lauter Kummer übertrieben. Die üble Saat des Bösen muss bereits in ihm gelegen haben, sonst hätte sie nie so schnell und mächtig aufgehen können. Meine eigene Mitwirkung fand viel später statt, und meine Schande besteht darin, gewusst zu haben, dass er eine schwarze Seele und kein Herz hatte, und ihm trotzdem geholfen zu haben.«
»Aber warum? Und wie?«
»Ach, Prinzessin! Heute Nacht fühle ich die weinselige Ehrlichkeit der Hernystiri in mir, ohne auch nur einen Schluck Wein getrunken zu haben. Und doch gibt es Dinge, die ich lieber nicht erzählen möchte. Die Geschichte meines Untergangs geht nur mich etwas an. Die meisten der Freunde, die mich in diesen Jahren gekannt haben, leben nicht mehr. Ich will nur so viel sagen: Aus vielerlei Gründen, sowohl der Dinge wegen, die ich erforschte – und von vielen wünschte ich heute, ich hätte die Finger davon gelassen –, als auch wegen meines eigenen Schmerzes und der vielen berauschten Nächte, in denen ich ihn zu ertränken versuchte, war die Freude, die ich eine Zeitlang am Leben fand, nur von kurzer Dauer.
Als Kind glaubte ich an die Götter meines Volks. Als ich älter wurde, begann ich an ihnen zu zweifeln und glaubte stattdessen an den einen Gott der Ädoniter, obwohl zwischen ihm, seinem Sohn Usires und der gesegneten Gottesmutter Elysia ein fürchterliches Durcheinander herrscht. Später, in der ersten Jugendblüte meines Gelehrtendaseins, glaubte ich an gar keine Götter mehr, ob alt oder neu. Aber als ich ein Mann wurde, ergriff eine neue, sonderbare Furcht mein Herz, und heute glaube ich wieder an die Götter – ach, und wie ich an sie glaube! –, denn ich weiß, dass ich verflucht bin.« Still wischte er sich Augen und Nase mit dem Ärmel ab. Er saß jetzt so tief im Schatten, dass selbst das Mondlicht ihn nicht mehr fand.
»Verflucht? Was meint Ihr?«
»Das weiß ich nicht, sonst hätte ich schon längst irgendeinen Feld-, Wald- und Wiesenzauberer gefunden, der mir ein Pülverchen mahlt. Nein, ich scherze, Herrin, und es ist ein trauriger Scherz. Es gibt Verwünschungen auf der Welt, die kein Zauberspruch aufheben kann – so wie ich glaube, dass es ein Glück gibt, das kein böser Blick und kein neidischer Rivale zerstören können. Nur der, dem es gehört, kann es verlieren. Ich weiß nur, dass mir vor langer Zeit die Welt zur schweren Last wurde und meine Schultern sich als zu schwach erwiesen, sie zu tragen. Ich wurde ein wirklicher Trunkenbold – kein fröhlicher Zecher, der zu viele Krüge leert und auf dem Heimweg die Nachbarn aus dem Schlaf singt, sondern ein Mann, der mit kaltem Kopf und einsamem Herzen nach Vergessen sucht. Mein einziger Trost waren meine Bücher, aber auch aus ihnen schien der Hauch des Grabes zu dringen. Sie erzählten nur von totem Leben, toten Gedanken und, was das Schlimmste war, von toten,
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