Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Vorratskammern im Keller, über die sie früher nie hinausgekommen war, schien eine vollständige zweite Burg zu liegen. Ob Simon davon gewusst hatte?
Der Gedanke an den Jungen war wie immer schmerzlich. Kopfschüttelnd stapfte sie weiter. Noch waren keine Verfolger zu hören – Rachel, vor lauter Furcht ganz außer Puste, war endlich wieder zu Atem gekommen –, aber dennoch hatte es keinen Sinn, hier herumzustehen und auf sie zu warten.
Freilich, ein Problem war da noch zu lösen: Wenn sie nicht umzukehren wagte, was sollte sie dann tun? Auf ihren Ortssinn konnte sie sich in diesem Kaninchenbau schon lange nicht mehr verlassen. Was war, wenn sie falsch abbog und dann für immer in der Dunkelheit umherirrte, verloren und verhungernd?
Albernes Weib. Bieg einfach nicht von diesem Gang ab oder mach wenigstens ein Zeichen an die Stelle, wenn du es doch tust. Dann kannst du den Treppenabsatz und die Stufen immer wiederfinden.
Sie schnaubte, das gleiche unwirsche Prusten, das so manche Kammerfrau zum Plärren gebracht hatte. Rachel wusste, was es hieß, diszipliniert und überlegt vorzugehen.
Keine Zeit für Unfug.
Und doch war es ein seltsames Gefühl, hier durch diese Tunnel im Zwischenraum zu wandern. Ein bisschen erinnerte es sie an den Ort des Harrens, von dem Vater Dreosan erzählt hatte, jene Stätte zwischen Hölle und Himmel, an der die toten Seelen auf ihr Urteil warteten und sich eine zeitlose Zeit aufhalten mussten, wenn sie für die Erstere nicht böse, für den Letzteren nicht geläutert genug waren. Rachel war diese Vorstellung immer unangenehm erschienen. Reinliche Scheidungen waren ihr allemal lieber als diese Grauzonen. WerUnrecht tut, wird verdammt und verbrannt. Wer ein reines, ädonitisch strenges Leben führt, darf in den Himmel fliegen und im ewigen Blau singen und sich ausruhen. Dieser Ort in der Mitte, von dem der Priester sprach, war lediglich ungemütlich und geheimnisvoll. Ein Gott, wie Rachel ihn anbetete, sollte sich auf solche Halbheiten nicht einlassen.
Das Licht der Lampe fiel auf eine Quermauer. Der Tunnel war in einen rechtwinklig kreuzenden Gang eingemündet, sodass sie nur nach rechts oder nach links weitergehen konnte. Rachel runzelte die Stirn. Hier musste sie schon vom geraden Weg abweichen. Es gefiel ihr nicht. Die Frage war nur, ob sie es riskieren konnte, umzukehren oder auch nur stehen zu bleiben? Sie glaubte nicht, dass sie sich schon weit von der Treppe entfernt hatte.
Die Erinnerung an die wispernden Weißgesichter draußen auf den Stufen ließ sie einen Entschluss fassen.
Sie tauchte einen Finger in den Lampenruß, stellte sich auf die Zehen und markierte die linke Wand des Tunnels, in dem sie sich befand. Diese Stelle würde sie bei ihrer Rückkehr sehen. Dann bog sie widerwillig in den rechten Arm des Quergangs ein.
Der Gang schlängelte sich endlos dahin. Immer wieder kreuzten ihn andere Gänge, oder er erweiterte sich zu kleinen, fensterlosen Galerien, leer wie ausgeraubte Gräber. Getreulich bezeichnete Rachel jede Richtungsänderung. Allmählich machte sie sich Sorgen wegen der Lampe, der sicher bald das Öl ausgehen würde, wenn sie nicht umkehrte. Da endete der Gang plötzlich vor einer uralten Tür.
Die Tür war unauffällig und besaß weder Schloss noch Riegel. Das Holz war alt und verquollen und so voller Wasserflecke, dass es gescheckt war wie ein Schildkrötenpanzer. Große, plumpe Eisenstücke dienten als Angeln, die mit Nägeln aus rotem Metall befestigt waren. Rachel sah nach unten und vergewisserte sich, dass es außer ihren eigenen keine Fußspuren gab. Dann schlug sie vor ihrer Brust einen Baum und zog am grobgeschmiedeten Griff. Knarrend öffnete sich die Tür ein Stück und blieb dann mit einem mahlenden Geräusch stehen, verklemmt vom Staub und Geröll der Jahrhunderte. Dahinter lag neue Dunkelheit, diesmal durchsetzt von rötlichem Licht.
Die Hölle! , war Rachels erster Gedanke. Vom Ort des Harrens zur Höllentür! Und dann: Mutter Elysia! Alte, du bist doch gar nicht tot! Sei vernünftig!
Sie trat durch die Tür.
Der Tunnel auf der anderen Seite unterschied sich von den bisherigen Gängen. Er war nicht mit behauenen Steinen verkleidet, sondern in den nackten Fels geschlagen. Der rote Lichtschimmer, der über die rohen Wände flackerte, schien von links zu kommen, als brenne weiter vorn hinter der nächsten Ecke ein Feuer.
Obwohl diese neue Entwicklung sie in große Unruhe versetzte, wollte Rachel doch gerade auf die Quelle des roten
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