Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
überhaupt weiterzukommen. Die Hitze war gewaltig. Er stellte sich vor, wie seine Haut schwarz wurde und einschrumpfte wie das gebratene Fleisch eines Festtagsschweins. Während er sich die Steigung hinaufkämpfte, wurde das Röhren lauter, ein tiefes, unregelmäßiges Grollen wie Donner, eine wütende See oder der unruhige Atem eines schlafenden Drachen. Dann änderte sich das Geräusch. Guthwulf erkannte, dass der Gang sich erweiterte. Als er um die nächste Ecke bog, verrieten ihm die geschärften Sinne des Blinden, dass der Tunnel nicht nur breiter, sondern auch höher geworden war. Heiße Winde strömten ihm entgegen. Das grollende Geräusch erzeugte ein eigentümliches Echo.
Wenige Schritte später begriff er den Grund. Hinter der Felskammer musste eine andere, weit größere Höhle liegen, riesig in den Ausmaßen wie Sankt Sutrins ungeheurer Dom zu Erchester. Ein feuriger Abgrund? Guthwulf fühlte sein Haar in der heißen Brise flattern. Stand er etwa vor dem sagenhaften See des Gerichts, wo Sünder auf ewig in einen Flammenteich geworfen wurden? War es Gott selbst, der in der Festung des Felsens auf ihn wartete? Verwirrt und zerstreut, wie er inzwischen geworden war, wusste Guthwulf nicht mehr viel über sein Leben vor der Blendung. Das, woran er sich erinnerte, schien ihm voll törichter, sinnloser Taten gewesen zu sein. Wenn es also einen solchen Ort und eine solche Strafe gab, dann hatte er sie zweifellos verdient. Dennoch fand er es traurig, den starken Zauber des grauen Schwertes nie wieder spüren zu dürfen.
Er begann, kürzere Schritte zu machen und mit jedem Fuß, bevorer ihn wieder aufsetzte, einen vorsichtigen Bogen von einer Seite zur anderen zu beschreiben. Mit größter Aufmerksamkeit tastete er sich vorwärts und kam darum nur noch ganz langsam weiter. Endlich berührte sein Fuß leere Luft. Guthwulf hielt an, hockte sich nieder und strich mit den Fingern über den heißen Boden des Tunnels. Vor ihm lag ein steinerner Rand, der auf beiden Seiten weiter reichte, als er greifen konnte. Dahinter waren nichts als Leere und sengende Winde.
Er stand wieder auf und trat von einem Fuß auf den anderen, weil die Hitze durch seine Sohlen drang. Er lauschte dem dröhnenden Brausen. Da waren auch andere Geräusche. Das eine klang wie ein tiefes unrhythmisches Donnern, als prallten massive Metallstücke aufeinander. Das andere stammte von menschlichen Stimmen.
Wieder erscholl das Krachen von Metall auf Metall, und endlich weckte das Geräusch in ihm eine Erinnerung an sein früheres Leben auf der Burg. Das donnernde Dröhnen kam von den großen Türen des Schmiedeofens, der geöffnet und geschlossen wurde, wenn die Männer neuen Brennstoff in die Flammen warfen. Er hatte es oft gesehen, wenn er in seinem Amt als Hand des Königs die Gießerei inspiziert hatte. Offenbar befand er sich an einem der Tunneleingänge, die fast unmittelbar über dem riesigen Hochofen lagen. Kein Wunder, dass ihm beinahe die Haare brannten!
Aber das graue Schwert war da. Er wusste es mit der Sicherheit einer futtersuchenden Maus, die spürt, dass über ihr eine Eule dahinschwebt. Elias musste sich dort unten in der Schmiede aufhalten, das Schwert an der Seite.
Guthwulf wich von der Kante zurück und zermarterte sich das Hirn nach einer Möglichkeit, unbeobachtet auf den Boden der Schmiede zu gelangen.
Als er so lange auf derselben Stelle gestanden hatte, dass seine Füße brannten, musste er zurückgehen. Er tat es fluchend. Es gab keinen Weg zu dem Schwert. Er konnte tagelang durch die Tunnel irren, ohne einen anderen Zugang zu finden. Und wenn er ihn fand, war Elias bestimmt nicht mehr dort. Andererseits konnte er auch nicht einfach aufgeben. Das Schwert rief ihn, und es kümmerte sich nicht um Hindernisse.
Guthwulf stolperte zurück in den Gang, weg von der Hitze, obwohl das Schwert nach ihm schrie, ihm befahl, in die feurige Vergessenheit hinabzuspringen.
»O Gott, warum hast du mir das angetan?«, brüllte Guthwulf, und seine Stimme ging im Röhren des Hochofens unter. »Warum hast du mich mit diesem Fluch beladen?« Die Tränen trockneten schnell aus seinen Wangen.
Inch verbeugte sich vor König Elias. Im flackernden Licht der Schmiede ähnelte der riesenhafte Mann einem Affen aus den südlichen Dschungeln – ein Affe in Kleidern zwar, aber doch nur das schäbige Zerrbild eines Menschen. Die anderen Männer in der Gießerei hatten sich, als der König eintrat, flach auf die Erde geworfen. Ihre überall in der
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