Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Grashang eine Hundertschaft von Reitern verbergen und auf sie warten. »Sie waren hier.«
»Vielleicht nach dem Abzug der Bewohner«, sagte Isgrimnur. »Oder es gibt einen anderen Grund dafür, den wir nicht kennen.« Er sah selbst nicht sehr überzeugt aus. »Schließlich haben wir keine Ahnung, Prinzessin, wer hier gelebt hat.«
»Ich weiß es.« Der bloße Gedanke machte sie wütend. »Es waren Menschen, die vor der Herrschaft meines Vaters geflohen sind. Josua und die anderen gehörten vermutlich zu ihnen. Jetzt hat man sie verjagt oder gefangen.«
»Vergebt mir, Miriamel, Herrin«, wandte Tiamak vorsichtig ein, »aber ich halte es nicht für gut, so schnell zu einem Schluss zu kommen. Herzog Isgrimnur hat recht, es gibt vieles, das uns unbekannt ist. Hier ist nicht der Ort aus dem Traum, den Geloë mir sandte.«
»Was sollten wir also tun?«
»Weiterreiten«, sagte der Wranna. »Den Spuren folgen. Vielleicht wollten die Leute, die hier wohnten, sich Josua anschließen.«
»Dort drüben sieht es vielversprechend aus.« Der Herzog beschattetedie Augen vor der grauen Sonne und deutete auf die andere Seite der Siedlung, wo eine Reihe tiefer Wagenspuren durch zertrampelte Schlammfelder nach Norden führte.
»Dann wollen wir diese Richtung nehmen.« Miriamel gab Camaris die Spange zurück. Der alte Ritter betrachtete das Abzeichen kurz und ließ es dann zu Boden fallen.
Die Wagenspuren liefen so eng zusammen, dass sie eine lange, schlammige Narbe durch das Grasland zogen. Zu beiden Seiten dieser behelfsmäßigen Straße fanden sich die Spuren der Menschen, die sie benutzt hatten – gebrochene Radspeichen, feuchte Aschenhaufen, zahlreiche Löcher, die man gegraben und wieder aufgefüllt hatte. Trotz dieser hässlichen Flecken auf einem sonst jungfräulichen Boden fand Miriamel den Anblick ermutigend, denn die Spuren wirkten recht frisch, es konnten höchstens ein oder zwei Monate vergangen sein, seit die Straße befahren worden war.
Bei einem Abendessen, das sie aus ihren schrumpfenden Haindorfer Vorräten zusammengebraut hatten, fragte Miriamel Isgrimnur, was er tun würde, wenn sie Josua endlich gefunden hätten. Es war schön, von jenem Tag als von etwas zu sprechen, das sein würde und nicht nur vielleicht sein könnte; es klang so wirklich und greifbar, obwohl sie immer noch eine gewisse abergläubische Furcht davor empfand, von Dingen zu sprechen, die noch in der Zukunft lagen.
»Ich werde ihm zeigen, dass ich mein Wort gehalten habe«, lachte der Herzog, »und dann werde ich meine Frau packen und sie umarmen, bis sie quiekt.«
Miriamel dachte an die rundliche, stets tüchtige Gutrun. »Das möchte ich sehen.« Sie betrachtete Tiamak, der schlief, und Camaris, der mit der hingerissenen Versunkenheit, die er sonst nur dem Flug der Vögel am Himmel widmete, Isgrimnurs Schwert polierte. Vor dem Zweikampf mit Aspitis hatte der alte Ritter die Klinge nicht einmal berühren wollen. Er behandelte das Schwert des Herzogs wie einen alten, aber wenig vertrauenswürdigen Freund.
»Ihr vermisst sie wirklich, nicht wahr?«, sagte sie zu Isgrimnur. »Eure Gemahlin?«
»Ach, süßer Usires, ja.« Er starrte ins Feuer, als wollte er ihrem Blick nicht begegnen. »So sehr.«
»Ihr liebt sie.« Miriamel war erfreut und ein wenig überrascht, Isgrimnur hatte mit einer Inbrunst gesprochen, die sie bei ihm nicht erwartet hatte. Es war eine ungewohnte Vorstellung, dass die Liebe eines Mannes, der ihr so alt und vertraut vorkam wie der Herzog, so heiß brennen konnte und dass die großmütterliche Herzogin Gutrun Gegenstand dieser Gefühle war.
»Natürlich liebe ich sie – nehme ich an«, antwortete er nachdenklich. »Aber es ist mehr als das, Herrin. Sie ist ein Teil von mir, meine Gutrun. Im Lauf der Jahre sind wir zusammengewachsen, ineinander verschlungen wie zwei alte Bäume.« Er schüttelte lachend den Kopf. »Ich habe es immer gewusst, vom ersten Augenblick an, als ich sie sah … sie holte Misteln von Sotfengsels Schiffsgrab … Ach, wie schön sie war! Sie hatte die hellsten Augen, die ich je gesehen habe. Wie im Märchen.«
Miriamel seufzte. »Ich wünsche mir, dass jemand eines Tages auch für mich so empfindet.«
»Bestimmt, mein Mädchen, bestimmt.« Isgrimnur lächelte. »Und wenn Ihr verheiratet seid – sofern Ihr das Glück habt, den Richtigen zu finden –, dann werdet Ihr verstehen, wovon ich rede. Er wird ein Teil von Euch sein, wie meine Gutrun ein Teil von mir ist. Für immer, bis in den Tod.«
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