Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Ochsenkarrens einnickte, und versuchte, eine Welle von Müdigkeit zu bekämpfen. Kinder kamen den Berg hinuntergerannt. Rufend und singend schlossen sie sich dem Zug an.
Als sie auf dem Gipfel ankamen, hatte sich dort eine große Menge versammelt. Von den vielen Menschen wurde Miriamel fast übel.Es war lange her, dass sie über die überfüllten Holzstege von Kwanitupul gewandert war, und sie konnte den Anblick der vielen hungrigen, erwartungsvollen Gesichter kaum ertragen. Sie lehnte sich an Isgrimnur und schloss die Augen.
Oben wurden die Gesichter plötzlich vertraut. Sludig half ihr vom Karren und in die Arme ihres Onkels Josua, der sie an sich zog und fast so zerquetschte, wie Isgrimnur es mit Sludig getan hatte. Dann hielt er sie mit ausgestreckten Armen vor sich und betrachtete sie von Kopf bis Füßen. Er war dünner, als sie ihn in Erinnerung hatte, und seine Kleider, wenn auch wie immer grau, wirkten merkwürdig bäurisch. Ihr Herz öffnete sich noch weiter, und Schmerz und Freude strömten herein.
»Der Erlöser hat meine Gebete erhört«, sagte er endlich, und es konnte trotz seines zerfurchten und sorgenvollen Gesichts keinen Zweifel geben, dass er aufrichtig glücklich war. »Willkommen zu Hause, Miriamel.«
Es gab noch mehr Gesichter – Vara in einem merkwürdig zeltartigen Gewand, der Harfner Sangfugol und sogar der kleine Binabik, der sich mit spöttischer Höflichkeit verneigte, bevor er ihre Hand in seine kleinen, warmen Finger nahm. Ein anderer, der stumm danebenstand, kam ihr eigenartig bekannt vor. Er war bärtig, eine weiße Strähne zog sich durch das rote Haar und bedeckte eine blasse Narbe auf seiner Wange. Er sah sie an, als wollte er sich jede Einzelheit einprägen, wie ein Bildhauer, der sie eines Tages in Stein meißeln wollte.
Es dauerte einen langen Augenblick.
»Simon?«, sagte sie.
Staunen verwandelte sich rasch in sonderbare Bitterkeit – sie war um so vieles betrogen! Während sie fremde Welten durchwandert hatte, war hier alles anders geworden. Simon war kein Junge mehr. Ihr Freund war verschwunden und dieser hochgewachsene junge Mann an seine Stelle getreten. War sie denn so lange fortgewesen?
Der Mund des Fremden bewegte sich, aber es dauerte einen Augenblick, bevor sie ihn sprechen hörte. Simons Stimme schien ihr tiefer, aber die Worte kamen zögernd. »Ich bin froh, dass Ihr in Sicherheit seid, Prinzessin. Sehr froh.«
Miriamel starrte ihn an. Ihre Augen brannten und füllten sich mit Tränen. Die Welt schien auf dem Kopf zu stehen.
»Bitte«, begann sie abrupt und wandte sich zu Josua. »Ich glaube … ich muss mich hinlegen. Ich muss schlafen.« Sie sah nicht, wie Simon den Kopf hängen ließ, als hätte man ihn zurückgestoßen.
»Natürlich.« Ihr Onkel war voller Fürsorge. »Natürlich. Solange du willst. Und wenn du dann wieder aufstehst, wollen wir ein Dankfest feiern.«
Miriamel nickte benommen und ließ sich von Vara nach dem wogenden Meer der Zelte führen. Hinter ihr hielt Isgrimnur noch immer seine kichernde, weinende Frau in den Armen.
22
Flüstern im Stein
as Wasser sprang aus der großen Spalte und plätscherte über eine schwarze Basaltfläche, bevor es über den Rand und in den Abgrund floss. Obwohl es heftig sprudelte, war der Wasserfall in der dunklen, nur von ein paar kleinen, glühenden, in die Wände eingelassenen Steinen erhellten Höhle fast unsichtbar. Die unfasslich hohe Kammer wurde Yakh Huyeru genannt, Halle des Zitterns. Und obwohl die Höhle den Namen aus einem ganz anderen Grund trug, bebten ihre Wände in der Tat ganz leicht unter Kiga’rasku, dem Tränenfall, der unaufhörlich hinab in die Tiefe rauschte. Ob es an einer Besonderheit des Echos in der ungeheuren Höhle oder an der Leere lag, in die das Wasser stürzte – der Wasserfall verursachte kaum ein Geräusch. Manche Bewohner des Berges wisperten, der Kiga’rasku sei bodenlos, und das Wasser falle durch die Erde hindurch und ergieße sich endlos ins schwarze Dazwischen.
Utuk’ku stand am Rand des Abgrunds, ein winziger, silberweißer Strich vor dem Gewebe des dunklen Wassers. Ihre fahlen Gewänder flatterten träge im Aufwind des Hangs. Das maskierte Gesicht blickte nach unten, als wollte sie Kiga’raskus Tiefe ergründen. Aber sie achtete weder auf den gewaltigen Sturz des Wassers, noch sah sie die trübe Sonne hoch oben über dem Gipfel der Sturmspitze, von dem sie durch viele Hundert Ellen hartes Gestein getrennt war.
Im verwickelten Muster der Ereignisse,
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