Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
herausgefunden, dass da etwas ist, das mich daran hindert, von ihm Gebrauch zu machen. So, als wäre ich auf den Baum gestiegen, von dem ich gerade sprach, hätte die obere Grenze des Nebels erreicht und müsste nun feststellen, dass noch etwas anderes meine Aussicht verhindert. Etwas versperrt mir den Weg.«
»Ich fürchte, ich verstehe Euch noch immer nicht, Jiriki, obwohl ich eine Ahnung habe, was Ihr meint.« Eolair überlegte kurz. »Könnte man sagen, dass Ihr aus einem Fenster schauen wollt, aber jemand hat es von der anderen Seite zugehängt?«
»Ja. Gut beschrieben.« Jiriki lächelte, aber Eolair erkannte die Müdigkeit in den fremdartigen Zügen des Sitha. »Und ich wage nicht fortzugehen, ohne wenigstens versucht zu haben, durch dieses Fenster zu blicken.«
»Dann will ich auf Euch warten. Aber wir haben nur wenig zu essen und zu trinken mitgebracht. Außerdem fürchte ich, dass mein Volk mich bald brauchen wird.«
»Was Essen und Trinken anbelangt«, meinte Jiriki zerstreut, »so könnt Ihr meinen Vorrat haben.« Er näherte sich wieder dem Scherben. »Wenn Ihr meint, zurückkehren zu müssen, dann sagt es mir – aber versprecht mir, Graf Eolair, dass Ihr mich nicht anfasst, bevor ich Euch die Erlaubnis dazu gebe. Ich weiß selbst nicht genau, wie ich vorgehen muss, und es ist für uns beide sicherer, wenn Ihr Euch nicht einmischt, ganz gleich, was Ihr zu sehen scheint.«
»Ich werde nichts ohne Eure Aufforderung tun«, versprach Eolair.
»Gut.« Jiriki streckte die Hände aus und begann von neuem, sie langsam kreisen zu lassen.
Seufzend lehnte sich der Graf von Nad Mullach auf seiner Steinbank zurück und versuchte, eine bequemere Stellung zu finden.
Eolair erwachte aus einem sonderbaren Traum – er war vor einem ungeheuren Rad geflohen, hoch wie die Baumwipfel, zersplittert wie uralte Deckenbalken – und wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.Das Licht war jetzt heller und pulsierte wie ein Herzschlag, hatte aber eine ungesunde, blaugrüne Farbe angenommen. Die Luft in der riesigen Höhle war gespannt und still wie vor einem Gewitter, und in Eolairs Nase brannte ein Geruch wie nach einem Blitzschlag.
Jiriki stand noch immer vor dem schimmernden Scherben, ein winziger Fleck in einem Meer aus blendender Helle. Aber während er sich vorher so straff gehalten hatte wie ein Mircha-Tänzer vor dem Regengebet, schienen seine Glieder jetzt verzerrt, und sein Kopf war nach hinten gedrückt, als presse eine unsichtbare Hand das Leben aus ihm heraus. Außer sich vor Sorge stürzte Eolair auf ihn zu. Er wusste nicht, was er tun sollte. Der Sitha hatte ihm verboten, ihn zu berühren. Aber als Eolair nahe genug war, um Jirikis Gesicht zu erkennen, das in der gewaltigen Woge übelkeiterregenden Gleißens fast unterging, stockte ihm der Atem. Das konnte der Sitha nicht gemeint haben!
Seine goldgefleckten Augen waren nach oben gerollt. Unter den Lidern war nur noch ein weißer Halbmond sichtbar. Die Lippen waren hochgezogen, die Zähne gefletscht wie bei einem in die Enge getriebenen wilden Tier. An Hals und Stirn spannten sich die Adern, als wollten sie ihm aus der Haut platzen. »Prinz Jiriki!«, schrie Eolair. »Jiriki! Könnt Ihr mich hören?«
Der Mund des Sitha öffnete sich ein Stück. Seine Kiefer mahlten. Ein lauter, röhrender Schrei ertönte und hallte im weiten Rund wider, tief und unverständlich, aber so eindeutig voller Schmerz und Angst, dass Eolair verzweifelt die Ohren mit den Händen bedeckte und sein Herz vor Mitgefühl und Grauen fast zersprang. Er streckte vorsichtig eine Hand nach Jiriki aus und bemerkte verblüfft, wie die Haare auf seinem Arm sich aufrichteten und seine Haut prickelte.
Nur einen winzigen Augenblick zögerte er noch. Er schalt sich einen Dummkopf, schickte ein schnelles, stummes Stoßgebet zu Cuamh Erdhund, sprang vor und packte Jirikis Schultern.
In der Sekunde, als er ihn berührte, fühlte er sich wie aus dem Nichts von einer titanischen Gewalt überschwemmt, einem brausenden schwarzen Strom aus Entsetzen, Blut und leeren Stimmen, der ihn durchflutete und seine Gedanken mitriss wie eine Handvoll Blätter in einem Wasserfall. Doch in dem kurzen Moment, bevor sein Ichins Nichts gewirbelt wurde, sah er seine Hände, die auf Jirikis Schultern lagen, und den Sitha, der unter Eolairs Gewicht den Halt verlor und vornüber auf den Scherben stürzte. Ein riesiges Feuerwerk von Funken sprang hervor, noch heller als das blaugrüne Gleißen, eine Million glitzernder
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