Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
übergezogen –, sondern weil das Essen von Katzenfleisch für sie so unvorstellbar war, wie auf einen geweihten Altar zu spucken. Inwieweit sich Katzenfleisch von Kaninchen oder Reh unterschied, wusste sie nicht und wollte es auch nicht wissen. Anständige Leute aßen so etwas nicht, das genügte.
Trotzdem hatte sie in der letzten Viertelstunde ein paarmal mit dem Gedanken gespielt, das halsstarrige Biest mit einem Tritt die steile Treppe hinabzubefördern und sich einen Plan auszudenken, bei dem tierische Hilfe nicht nötig war. Das Ärgerlichste war freilich, dass der guten Idee mit der Katze offenbar auch kein Erfolg beschieden war.
Rachel sah auf ihre zitternden Arme und fettigen Finger.
Das alles, um einem Ungeheuer zu helfen? Du kommst vom Weg ab, Frau, und wirst verrückt wie ein Mondkalb.
»Miez…«
Die graue Katze kam ein paar Schritte näher und betrachtete Rachel aus Augen, die vor Misstrauen leuchteten wie das helle Lampenlicht. Rachel sagte im Stillen das Elysia-Gebet und versuchte lockend mit dem Pökelfleisch zu wackeln. Wachsam näherte sich die Katze, krauste die Nase und leckte einmal vorsichtig an dem Happen. Nachdem sie dann so getan hatte, als putze sie sich ganz unbeteiligt die Schnurrhaare, schien sie Mut zu fassen. Sie schnappte nach dem Fleisch, riss etwas davon herunter, wich zurück, um es zu fressen, und kam dann wieder. Rachel ließ ihre andere Hand überihren Rücken gleiten. Das Tier erschrak, aber als Rachel keine heftige Bewegung machte, nahm die Katze das letzte Stückchen Fleisch und verschlang es mit einem Biss. Rachel strich mit den Fingern ganz leicht über das Fell, und die Katze stieß mit der Nase fragend an ihre leere Hand. Rachel kraulte das Tier hinter den Ohren und widerstand dabei tapfer der Versuchung, das mäklige kleine Biest zu erwürgen. Endlich hatte sie der Katze ein Schnurren entlockt und stand schwerfällig auf.
»Morgen«, erklärte sie. »Mehr Fleisch.« Sie drehte sich um und stapfte müde den Gang hinauf zu ihrem verborgenen Zimmer. Die Katze sah ihr nach und beschnüffelte den Steinboden nach Krümeln, die ihr vielleicht entgangen waren. Dann legte sie sich hin und leckte sich das Fell.
Jiriki und Eolair traten blinzelnd wie Maulwürfe ins helle Licht hinaus. Der Graf bereute bereits seine Entscheidung, gerade diesen Eingang zu den unterirdischen Stollen gewählt zu haben, der so weit von Hernysadharc entfernt lag. Wären sie durch die Höhlen gegangen, in denen die Hernystiri damals Schutz gesucht hatten, wie Maegwin und er beim ersten Mal, hätten sie die Nacht in einer der noch kürzlich bewohnten Behausungen der Höhlenstadt verbringen und sich den langen Heimritt sparen können.
»Ihr seht nicht gut aus«, bemerkte der Sitha.
Eolairs Kopf hatte zwar endlich aufgehört zu dröhnen, aber die Muskeln taten ihm nach wie vor ordentlich weh.
»Ich fühle mich auch nicht gut.« Der Graf sah sich um. Noch immer lag an manchen Stellen Schnee, aber das Wetter hatte sich in den letzten Tagen erheblich gebessert. Es war verlockend, gleich hier zu übernachten und erst morgen zum Taig zurückzureiten. Er sah mit schmalen Augen zur Sonne auf. Erst früher Nachmittag. Die Zeit unter der Erde war ihm viel länger vorgekommen … wenn es noch derselbe Tag war. Bei dem Gedanken grinste er mürrisch. Vielleicht doch lieber ein schmerzhafter Ritt zum Taig als eine Nacht in der kalten Wildnis.
Die Pferde, Eolairs Fuchswallach und Jirikis weißer Hengst, indessen Mähne Federn und Glöckchen eingeflochten waren, standen am äußersten Ende ihrer langen Leinen und weideten das magere Gras ab. Schnell waren sie gesattelt; dann galoppierten Mensch und Sitha Richtung Südosten nach Hernystir.
»Die Luft hat sich verändert!«, rief Eolair. »Fühlt Ihr es auch?«
»Ja.« Jiriki hob den Kopf wie ein witterndes Raubtier. »Aber ich weiß nicht, was es bedeuten könnte.«
»Es ist wärmer. Das ist mir genug.«
Als sie die ersten Häuser von Hernysadharc erreichten, war die Sonne schon hinter dem Grianspog versunken, und der Himmel glänzte rot. Seite an Seite ritten sie die Taigstraße hinauf und suchten sich ihren Weg durch den lebhaften Fußgänger- und Karrenverkehr. Sein Volk wieder frei und bei seinen Geschäften zu sehen linderte Eolairs Schmerzen. Zwar ging noch lange nicht alles seinen gewohnten Gang, und die meisten Menschen auf der Straße hatten die hageren Züge und den starren Blick des Hungers, aber wenigstens bewegten sie sich ungehindert im
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