Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
waren?«
»Ja. Die Unterirdischen, wie Ihr sie nennt, waren nur eine kleine Gruppe, die sich vom Hauptstamm abgespalten hatte. Der Rest von Ruyans Volk blieb in der Nähe des Wassers, denn ihr Herz hing schon immer an den Meeren. Viele von ihnen wurden, was die Sterblichen ›Seewächter‹ nennen.«
»Niskies?« In seiner langen Laufbahn, die ihn oft auf Reisen in südliche Gewässer geführt hatte, war Eolair mit vielen Seewächtern in Berührung gekommen. »Es gibt sie immer noch. Aber sie sehen ganz anders aus als die Unterirdischen.«
Jiriki wartete, bis der Graf ihn eingeholt hatte, und ging dann, vielleicht aus Höflichkeit, langsamer. »Das war der Segen und zugleich der Fluch der Tinukeda’ya. Sie passten sich im Lauf der Zeit ihrem Wohnort an. Ihr Blut und Gebein besitzen die Fähigkeit, sich zu verändern. Ich glaube, wenn Feuer die Welt zerstörte, wären die Kinder des Meeres die einzigen Überlebenden. Schon bald würden sie lernen, Rauch zu essen und in heißer Asche zu schwimmen.«
»Das ist erstaunlich«, meinte Eolair. »Die Unterirdischen, denen ich begegnete, Yis-fidri und seine Gefährten, machten einen so scheuen Eindruck. Wer hätte gedacht, dass sie zu solchen Kunststücken fähig sind?«
»In den südlichen Marschen gibt es Eidechsen«, versetzte Jiriki mit einem Lächeln, »die ihre Farbe entsprechend dem Blatt, Baumstamm oder Stein, auf dem sie gerade hocken, verändern können. Sie sind auch scheu. Es wundert mich nicht, dass gerade die ängstlichen Wesen sich am geschicktesten verstecken können.«
»Aber wenn Euer Volk den Unterirdischen – den Tinukeda’ya – diese Stadt geschenkt hat, warum fürchten sie Euch dann so? Als die Herrin Maegwin und ich zuerst hierherkamen und sie fanden, waren sie außer sich vor Angst, weil sie glaubten, wir stünden in Euren Diensten und wollten sie zu Euch zurückbringen.«
Jiriki blieb stehen und starrte gebannt in die Tiefe. Als er sich wieder zu Eolair umdrehte, stand so tiefer Schmerz in seinem Gesicht, dass selbst die Fremdartigkeit der Züge nicht darüber hinwegtäuschen konnte. »Sie haben recht, sich zu fürchten, Graf Eolair. Amerasu, die Weise, die uns vor kurzem genommen wurde, nannte unseren Umgang mit den Tinukeda’ya eine große Schande für uns.Wir haben sie nicht gut behandelt und ihnen Dinge vorenthalten, deren Kenntnis ihnen zustand … weil wir dachten, sie würden uns besser dienen, wenn wir sie im Unwissen ließen. Als Jenjiyana, damals Herrin des Hauses der Tanzenden Jahre, ihnen in grauer Vorzeit diesen Ort überließ, waren viele andere Häuser der Morgendämmerung damit nicht einverstanden. Auch heute noch gibt es Zida’ya, die glauben, wir hätten Ruyan Vés Kinder als Diener behalten sollen. Eure Freunde fürchten sich mit gutem Grund.«
»Davon erzählen die alten Sagen unseres Volkes nichts«, meinte Eolair staunend. »Ihr malt ein hartes, trauriges Bild, Prinz Jiriki. Warum erzählt Ihr mir das alles?«
Der Sitha begann, die zersprungenen Stufen weiter hinunterzusteigen. »Weil dieses Zeitalter kurz vor seinem Ende steht, Graf Eolair. Das bedeutet nicht, dass ich an eine glücklichere Zukunft glaube – obwohl diese Möglichkeit wohl noch immer besteht. Aber so oder so, unsere Epoche geht zu Ende.«
Wortlos setzten sie ihren Weg in die Tiefe fort.
Eolair verließ sich auf die schwache Erinnerung an seinen letzten Besuch, um Jiriki durch die verfallende Stadt zu führen, obgleich die nur von seiner angeborenen Höflichkeit bezähmte Ungeduld des Sitha verriet, dass Jiriki genauso gut hätte vorangehen können. Während sie so durch die hallenden, verlassenen Straßen wanderten, hatte Eolair wieder, wie damals, das Gefühl, Mezutu’a sei weniger eine Stadt als vielmehr der Bau vieler scheuer, aber freundlicher Tiere. Diesmal aber waren ihm Jirikis Worte über das Meer noch frisch im Gedächtnis, sodass er Mezutu’a zugleich als Korallengarten sah, in dem die Gebäude – durchzogen von leeren Türöffnungen und düsteren Tunneln, unterbrochen von Türmen, verbunden durch steinerne Stege, dünn wie gesponnenes Glas – eines aus dem anderen herauswuchsen. Er fragte sich, ob sich die Unterirdischen vielleicht im tiefsten Herzen eine Sehnsucht nach der See bewahrt hätten, sodass die Stadt und das, was ihre neuen Bewohner dazugebaut hatten, allmählich zu einer Art unterseeischer Grotte geworden war, die nicht vom blauen Wasser, sondern vom Gestein des Berges vor der Sonne geschützt wurde.
Als sie aus dem
Weitere Kostenlose Bücher