Das Geheimnis Der GroÃ?en Schwerter / Die Nornenkönigin: Bd 3
Wirklichkeit war Wunder genug. Als sie geendet hatte, sah Diawen sie schweigend an, und in ihren Augen glänzte es wie Tränen.
»Ach, gelobt sei der Tag«, seufzte die Seherin. »Ihr habt ein Zeugnis erlebt, wie in den alten Sagen.«
Maegwin lachte selig. Ja, Diawen verstand sie, ganz wie Maegwin gedacht hatte. »Es ist wundervoll«, stimmte sie zu. »Wir werden gerettet werden.« Sie hielt inne, als der Gedanke, der sie die ganze Zeit beschäftigt hatte, wieder in ihr aufstieg. »Aber was sollen wir tun?«
»Den Willen der Götter«, erwiderte Diawen ohne Zögern.
»Aber was ist ihr Wille?«
Diawen suchte in ihrer Spiegelsammlung und fand endlich ein Stück aus polierter Bronze. Der Griff hatte die Form einer sich windenden Schlange. »Schweigt einen Augenblick. Ich habe Eure Träume nicht gesehen, aber auch ich habe meine Methoden.« Sie hielt den Spiegel über das schwelende Feuer und blies dann den Ruß weg, der sich darauf abgesetzt hatte. Lange Zeit starrte sie hinein, die dunkelbraunen Augen anscheinend auf etwas geheftet, das sich hinter dem Spiegel befand. Ihre Lippen bewegten sich lautlos. Endlich legte sie den Spiegel hin.
Als sie sprach, klang ihre Stimme wie aus weiter Ferne. »Die Götter helfen den Kühnen. Bagba gab Herns Volk Rinder, weil es im Kampf für die Götter seine Pferde verloren hatte. Mathan lehrte die Frauen, die sie vor der Wut ihres Gemahls Murhagh versteckten, die Kunst des Webens. Die Götter helfen den Kühnen.« Sie blinzelteund strich sich eine graue Haarlocke aus den Augen. Ihre Stimme nahm wieder die gewöhnliche Färbung an. »Wir müssen den Göttern entgegenkommen. Wir müssen ihnen zeigen, dass Herns Kinder ihrer Hilfe würdig sind.«
»Was bedeutet das?«
Diawen schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Sollen wir selbst zu den Waffen greifen? Ausziehen und Skali zum Kampf herausfordern?« Maegwin runzelte die Stirn. »Wie kann ich das von unserem Volk verlangen, gering an Zahl und schwach, wie wir sind?«
»Den Willen der Götter zu tun ist niemals leicht«, sagte Diawen traurig. »Ich weiß es selbst. Als ich jung war, erschien mir Mircha im Traum, aber ich konnte nicht tun, was sie von mir erbat. Ich hatte Angst.« Sie versank in ihren Erinnerungen. In ihrem Gesicht stand bittere Reue. »Darum versagte ich im Augenblick der Entscheidung und verließ den Kreis ihrer Priesterinnen. Nie wieder habe ich danach ihre Gegenwart gespürt, in all den einsamen Jahren nicht …« Sie brach ab. Als sie Maegwin wieder ansah, war ihre Stimme so energisch wie die eines Wollhändlers. »Der Wille der Götter mag uns mit Angst erfüllen, Königstochter, aber ihn zu verweigern, heißt ihre Hilfe ablehnen. Mehr kann ich Euch nicht sagen.«
»Die Waffen zu ergreifen gegen Skali und seine Räuber …« Maegwin ließ den Gedanken über sich hinströmen wie Wasser. Es lag eine gewisse wahnsinnige Schönheit darin, eine Schönheit, die vielleicht wirklich dem Himmel gefallen konnte. Noch einmal das Schwert von Hernystir gegen die Eroberer zu schwingen, und sei es auch nur für einen einzigen kurzen Augenblick! Gewiss würden die Götter selbst laut rufen, wenn sie ein so stolzes Ereignis erlebten. Und gewiss konnte dann der Himmel nicht anders, als sich zu öffnen, und alle Blitze Rhynns würden daraus hervorzucken, um Skali Scharfnase und sein Heer zu Asche zu verbrennen …
»Ich muss darüber nachdenken, Diawen. Aber wenn ich zum Volk meines Vaters spreche, wirst du an meiner Seite stehen?«
Die Seherin nickte, lächelnd wie eine stolze Mutter. »Ja, das werde ich, Königstochter. Wir werden dem Volk verkünden, was die Götter Euch mitgeteilt haben.«
Ein warmer Regenschauer fiel, der erste Vorbote des nahenden Gewittersturms. Die dicke Wolkenbank am Horizont war grau- und schwarzgefleckt und vom Licht der Spätnachmittagssonne, die hinter ihr kaum zu sehen war, orangerote umrandet. Miriamel kniff vor den umherspritzenden Tropfen die Augen zusammen und blickte sich vorsichtig nach allen Seiten um. Der größte Teil der Matrosen war mit Vorbereitungen auf den Sturm beschäftigt. Niemand schien auf die Prinzessin zu achten. Aspitis hielt sich in seiner Kabine auf. Miriamel betete, er möge zu sehr in seine Seekarten vertieft sein, um den Diebstahl seines Lieblingsdolchs zu bemerken.
Sie löste einen Knoten der schweren Abdeckplane über dem offenen Landungsboot. Dann holte sie den ersten Wasserschlauch unter ihrem gegürteten Umhang hervor und blickte sich noch
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