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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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froh, ihn für eine Weile nicht mehr zu sehen. Zwar wusste sie, dass es Frauen gab, die Lust im Ehebett empfanden, aber um nichts in der Welt konnte sie sich vorstellen, dass ihr das so ergehen mochte. Zu tief saß das Entsetzen über den Tag, als Randolf und seine Spießgesellen ihr Gewalt angetan hatten. Und Wiprecht tat nichts, um ihren Abscheu zu mildern.
    »Er ist schon älter«, murmelte sie nur als Antwort.
    »Oh, dann hast du dein Glück gemacht.« Susanne strahlte sie an. »Wenn du nicht vorher im Kindbett stirbst, wirst du vielleicht bald Witwe und erbst den Hof. Dann kannst du dir einen jungen, hübschen Mann aussuchen. Und der muss gut zu dir sein, damit er an dein Wittum herankommt.«
     
    Die besten Momente auf der langen Reise waren für Marthe, wenn Christian oder Lukas zu ihrem Wagen kamen. Christian, der zum Geleitschutz des Zuges gehörte, hatte den Auftrag, sich während der Rast und abends um Dietrich zu kümmern. Sobald es Ottos Sohn besser ging, holte er ihn und Ottos Neffen Konrad zu Reitstunden oder Übungen mit dem Schwert ab. Dabei fand er auch jedes Mal einen freundlichen Blick und ein gutes Wort für Marthe.
    Lukas, der sich mit den anderen Knappen um den Tross zukümmern hatte, ritt sooft er konnte neben ihnen und unterhielt sie mit Späßen und Geschichten.
    »Er ist verliebt in dich«, raunte ihr Susanne bei einer dieser Gelegenheiten zu. »Ist er schon immer so zu dir gewesen oder erst, seitdem ihn Rosalind nicht mehr in ihr Bett lässt?«
    Marthe schaute sie verständnislos und leicht verärgert an.
    »Rosalind, die Küchenmagd«, erklärte Susanne ungeduldig.
    »Sie war seine Liebste, aber nun hat sie einen Stallburschen geheiratet, der sie nicht aus den Augen lässt.«
    »Er war schon immer freundlich zu mir – und mehr nicht«, sagte Marthe energisch.
    »Tu doch nicht so unschuldig. Also schon länger. Hat er wirklich nie versucht, dich zu küssen? Die Mädchen hier schwärmen fast alle von ihm. Er sieht gut aus und ist ein fröhlicher Bursche.«
    »Nein, hat er nicht.« Nun war Marthe sehr verlegen. Warum sollte sich ein junger Herr wie Lukas für sie interessieren?
    »Dann hat es unseren Bruder Leichtfuß wohl ernstlich erwischt«, mutmaßte Susanne und stieß sie in die Seite. »Denk darüber nach, ob du dir hier nicht ein bisschen Spaß gönnen willst. Er ist bestimmt netter zu dir als dein Grauschopf von Ehemann. Aber wenn du weiter von Ritter Christian träumst – den schlag dir aus dem Kopf.«
    Entsetzt fuhr Marthe auf.
    »Sag nichts«, meinte Susanne leichthin. »Ich sehe doch, mit welchen Blicken du ihm nachschaust. Natürlich, wenn er es von dir verlangt, musst du gehorchen. Aber ich würde nicht glauben, dass Christian eine Frau in sein Bett zwingt. Also erspar dir den Ärger. Er ist dein Lehnsherr! Wenn er dich satt hat, lässt er dich fallen und macht dir das Leben schwer. So sind sie alle. Und eher gefriert die Hölle, als dass ein Ritter eine Niedriggeborene heiratet.«
    Marthes Gedanken kreisten noch um Susannes Worte, als sie müde von der »Heimlichkeit« zurückschlenderte, die am Rande des Nachtlagers getrennt für die Notdurft der Männer und Frauen eingerichtet worden war.
    Urplötzlich spürte sie Gefahr. Sie fuhr herum, doch zu spät. Ein Stein traf sie hart an der Schläfe. Bewusstlos fiel sie zu Boden.
    Als Marthe wieder zu sich kam, war sie von Schwärze umgeben, und die Welt war in schaukelnder Bewegung. Erst allmählich klärten sich ihre Sinne wieder, und nach und nach wurde ihr der Grund für die Finsternis bewusst. Ihre Augen waren verbunden, ihr Mund geknebelt, die Hände gefesselt. Ihr Kopf hing vornüber und pochte von gestautem Blut, während etwas Raues auf ihrem Gesicht kratzte. Da erst begriff Marthe, dass sie quer über einem Pferderücken lag und ihr jemand einen Sack über den Kopf gezogen hatte.
    Wellen des Entsetzens durchfluteten sie. O nein, nicht noch einmal! Verzweifelt bäumte sie sich auf.
    »Halt still, du Hexe«, tönte es hinter ihr. Eine schwere Hand drückte sie so hart nieder, dass sie kaum noch Luft bekam.
    Die Stimme kam Marthe vage bekannt vor. Aber sie gehörte nicht Randolf und auch keinem von dessen Kumpanen, wie sie eben noch befürchtet hatte. Deren Stimmen würde sie bis an ihr Lebensende sofort erkennen. Immer noch benommen suchte sie in ihren Erinnerungen.
    Die Ausdünstungen des Fremden nach Schweiß, Bier und Zwiebeln schließlich brachten ihr die Lösung: Oswald, das Narbengesicht! Aber wie konnte das

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