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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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deuten, das sie befiel, wenn sie die Hände auf eine kranke Stelle legte, und die wärmende Kraft gezielt nutzen, die durch sie floss.
    Mit dem, was die weise Frau ihr beibrachte, bekam sie plötzlich auch den Schlüssel für viele unerklärliche Dinge in die Hand, die sie erlebt hatte, die Antwort auf viele Fragen.
    »Sieh nicht nur mit den Augen, sieh mit dem Herzen«, hatte die Alte gesagt. »Lass deine Sinne spielen, ohne dass jemand es merkt, und du wirst spüren, wer dir wohlgesonnen ist, wer lügt und wer dir schaden will.«
    Nun verstand sie endlich die Ereignisse aus dem zurückliegenden Jahr, die ihr bisher rätselhaft geblieben waren. Sie konnte besser als die meisten anderen Menschen verborgene Gefühle wahrnehmen und nutzte seitdem jede Gelegenheit, auf diese Art ihre Sinne zu schärfen. Susannes unerschöpfliches Wissen um den Hofklatsch der letzten Jahre bestätigte ihre geheimen Ahnungen dabei oft auf unerwartete Weise.
    »Sie hat eine Liebschaft mit dem Kämmerer«, wisperte sie ihr über eine Dame zu, die um einen Trank gebeten hatte, der einem Ehemann seine Kraft rauben könnte und die bei ihr das Gefühl geweckt hatte, dass sie ängstlich ein Geheimnis hütete.
    »Es heißt, der treibt schwarze Magie«, raunte Susanne über einen Mann, in dessen Nähe Marthe ein Schauer über den Rücken lief.
    Vor allem aber war ihr die neu erlernte Fähigkeit nützlich, um Randolf aus dem Weg zu gehen.
    Der gefürchtete Hüne hielt sich zumeist in unmittelbarer Nähe Ottos auf. Als sie ihn zum ersten Mal wiedersah, kam das nicht unerwartet, dennoch traf sie der Anblick bis ins Mark. Die Welt um sie schien plötzlich zu erstarren, sie hörte nichts mehr von dem, was Dietrich neben ihr erzählte. Mit stechendem Blick hatte Randolf sie gemustert, bevor er sich eiskalt lächelnd abwandte. Sie hatte Mühe, sich vor den anderen nichts von ihrem Entsetzen anmerken zu lassen.
    Die Mägde zitterten alle vor ihm und seinen Freunden, erfuhr sie bald.
    Wann immer sie nun das dumpfe Gefühl überkam, Randolf oder seine Kumpane könnten in ihre Nähe kommen, hielt Marthe Ausschau, um sich rechtzeitig zu verkriechen. Die bedrohliche Nähe ihrer Peiniger rief immer wieder die Erinnerung an jenen furchtbaren Tag vor einem Jahr wach. Und fast noch mehr als den grausamen Hünen hasste sie diejenigen, diezugesehen hatten, wie er über sie hergefallen war, die über ihre Not gelacht und es ihm dann nachgemacht hatten: der feiste Giselbert, Elmar mit seinem stets sorgfältig gelockten rötlichen Haar und Ekkehart, der sie nun gelegentlich mit Blicken musterte, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten. Ewig würde sie sich nicht vor ihnen verstecken können, dessen war sie sich bewusst. Aber sie wollte so weit wie möglich den schrecklichen Moment hinauszögern, an dem sie ihnen wieder ausgeliefert sein würde. In ihr lebte nach wie vor die Hoffnung, geheim halten zu können, dass Randolf sie geschändet und bedroht hatte. Vor allem Christian durfte nie davon erfahren – um ihretwillen, um seinetwillen und um des Dorfes willen.
     
    Noch eine Sorge beschäftigte Marthe während der Reise. Josefa hatte sie ermahnt, die Eingebungen ernst zu nehmen, die ihr manchmal wie aus heiterem Himmel durch den Kopf schossen, obwohl sich alles in ihr dagegen sträubte. War sie nicht viel zu unbedeutend für so etwas? Doch sie musste nun oft an die Mahnung denken, als sie vor Wulfhart geflohen war und die sie am Lager der Siedler kurz vor ihrer Bewusstlosigkeit zu hören glaubte: »Drei werden sterben, und einer wird uns ganz furchtbar verraten.«
    Drei von den Menschen, die gemeinsam losgezogen waren, hatten den Weg in die neue Heimat nicht überlebt und lagen in fremder Erde begraben. Würde wirklich jemand aus der Dorfgemeinschaft die anderen verraten? Bei welcher Gelegenheit? Welches Unheil würde daraus entstehen? Und vor allem: Wer?
     
    Susanne riss sie aus ihren Grübeleien. »Als mich dieser Ritter einfach so aufs Stroh geworfen und genommen hat, da hat ernoch gelacht über meinen Kummer. Wenn nur mein künftiger Mann etwas sanfter wäre.«
    »Hast du etwa schon bei ihm gelegen?«
    »Natürlich! Schließlich soll er wenigstens hoffen können, dass das Balg von ihm ist, auch wenn’s ein Siebenmonatskind wird.« Sie seufzte. »Er strotzt nur so vor Kraft, aber am Amboss ist er geschickter als im Bett. Und dein Mann?«
    Marthe stieß beim Laufen missmutig einen Stein mit dem Fuß beiseite. Sie wollte nicht über Wiprecht reden. Sie war

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