Das Geheimnis der Hebamme
für die Abreise vorzubereiten.
»Und ich? Willst du mich nicht dabeihaben?«, fragte Raimund.
Christian legte ihm die Hand auf die Schulter. »Mir wäre es lieber, du würdest dafür sorgen, dass Marthe nach dem Hoftag sicher wieder in ihr Dorf gelangt.«
»Natürlich. Du kannst dich auf mich verlassen.«
Dann suchte Christian nach Marthe. Er fand sie zu seiner Verblüffung beim Waffenmeister, dem sie eine wohlriechende Salbe in die gichtigen Hände einmassierte, während dieser vor Wohlbehagen aufstöhnte. Arnulf machte eine Bemerkung, über die Marthe lächeln musste. Christian staunte wieder einmal über ihre Fähigkeit, selbst die knorrigsten Kerle mit ihrer Arbeit zum Dahinschmelzen zu bringen und über ihr selten gewordenes Lächeln. Dann entdeckte sie ihn und erstarrte.
»Was ist los?«, fragte Arnulf, der die Augen geschlossen hatte. Träge blinzelnd erkannte er Christian, der Marthe mit ernstem Blick betrachtete.
»Was gibt es, Junge? Du warst der Beste von allen, denen ich je den Umgang mit dem Schwert beigebracht habe. Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, mir die kleine Heilerin abspenstig zu machen«, protestierte der alte Waffenmeister.
»Nachdem sie sich um meine Pranken gekümmert hat, bin ich jedes Mal wie neu und spüre das Gewicht des Schwertes gar nicht mehr.«
»Gott behüte«, entgegnete Christian.
Er setzte sich auf einen Schemel und sagte: »Ich warte, bis ihr fertig seid.«
Marthe fiel es schwer, sich unter Christians Augen auf die Arbeitzu konzentrieren. Schließlich wischte sie sich die Hände an einem Tuch ab und packte ihr Bündel zusammen.
»Ich komme morgen wieder. Lasst mich rufen, wenn es Euch recht ist«, sagte sie zu Arnulf und ging mit steifen Schritten zu Christian, der sie stumm beobachtete.
Er erhob sich. »Der Markgraf schickt mich mit einem besonderen Auftrag weg. Lukas und ich werden mehr als einen Monat unterwegs sein. Raimund wird dich nach Hause bringen, wenn Otto mit seinem Gefolge vom Hoftag aufbricht.«
Marthe erblasste und sah stumm zu Boden.
Es war ihm unmöglich, ihre Gedanken zu erraten, auch wenn er alles dafür gegeben hätte. Nachdem er auf so unverzeihliche Weise ihr gegenüber die Beherrschung verloren hatte, würde er wohl nie wieder unbeschwert mit ihr reden können.
Am nächsten Morgen gleich nach der Andacht machte sich Marthe auf den Weg zum Schwarzen Eber, um Ludmillus zu treffen. Weil sie allein kein Wirtshaus aufsuchen durfte, ohne in Verruf zu geraten, und weil sie sich nach Christians Abreise mehr denn je vor Randolf fürchten musste, ging sie zu Arnulf und bat ihn, ihr eine Begleitung zuzuteilen, um einen Auftrag Hedwigs auszuführen.
»Du sollst einen Spielmann einladen?«, fragte der Waffenmeister gut gelaunt. »Ich komme selbst mit. Auf diesen Ludmillus bin ich gespannt. Man erzählt sich großartige Geschichten über ihn.«
Der alte Kämpfer schnallte sein Schwert um und bahnte für sich und Marthe einen Weg durch die Gassen, in denen es vor Menschen nur so wimmelte.
Der Schwarze Eber war trotz der frühen Stunde schon dicht gefüllt.
»Die Spielleute? Die sind zur Frühmesse gegangen«, gab derWirt leutselig Auskunft, ein Mann mit spärlichem Haar, wulstigen Lippen und einer vor Schmutz starrenden Schürze.
»Hätte nie gedacht, dass das fahrende Volk so gottesfürchtig ist. Ihr könnt hier warten, sie werden sicher bald wieder auftauchen.«
Er wies mit dem Kopf in die Ecke, wo auf einer Bank noch Platz war, wenn die anderen Gäste etwas zusammenrückten. Arnulf schob sich und Marthe durch das Gedränge und warf dem Wirt eine Münze hin, der sogleich zwei Krüge Bier, Brot und Käse brachte.
»Iss nur, Kleine, kannst es gebrauchen«, meinte Arnulf aufmunternd und langte selbst kräftig zu.
Doch sie hatten kaum das Brot zerteilt, als die Tür aufgestoßen wurde und Ludmillus den Schankraum betrat. Marthe machte den Waffenmeister auf ihn aufmerksam. Arnulf erhob sich und ging auf den Spielmann zu.
»Du bist Ludmillus?«, fragte er den Neuankömmling. Der warf einen Blick auf den schwer Bewaffneten und erbleichte. Er sah kurz zu Hilarius, woraufhin dieser sofort die junge Frau und ihre Tochter am Arm nahm, um mit ihnen aus dem Raum zu verschwinden.
»Nein, nein, Ihr habt nichts zu befürchten«, sagte der Waffenmeister schnell, dem die Reaktion nicht entgangen war. Er zog Marthe neben sich, die ihm gefolgt war. »Wir sollen Euch im Auftrag des Markgrafen von Meißen und seiner Gemahlin fragen, ob Ihr wohl heute
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