Das Geheimnis der Hebamme
Sie wusste, dass Hedwig liebend gerneinen guten Spielmann auf dem Burgberg hätte. Vielleicht konnte sie vermitteln.
Gemeinsam mit Susanne, die sie angesichts solcher Bekanntschaften neidvoll ansah, lauschte sie Ludmillus’ Liedern. Als der Spielmann schließlich seine Vorstellung beendete, zogen sie weiter zu den vielen dicht umringten Ständen voller verlockender Dinge.
Fasziniert betrachtete Marthe feine Gewebe und blitzende Kupferringe, bunte Bänder in leuchtenden Farben und beinerne Kämme mit schön geschnitzten Mustern.
In ihrem Beutel tastete sie nach dem Kamm, den ihr Karl geschenkt hatte, nachdem er sich bei dem Kampf mit den Wegelagerern das Bein gebrochen hatte. Das schien ihr eine Ewigkeit her. Marthe hatte lange nicht wahrhaben wollen, dass sich Karl in sie verliebt hatte. Jetzt war sie seine Stiefmutter, und das machte das Verhältnis zwischen ihnen nicht gerade einfach. Sie redeten wenig miteinander. Aber er versuchte, ihr das Leben bei Wiprecht zu erleichtern und nahm ihr wortlos die schwersten Arbeiten ab.
Manchmal überlegte sie, was wohl geworden wäre, wenn sie Karl und nicht seinen Vater geheiratet hätte. Aber der Gedanke war müßig. Niemand hätte dem zugestimmt, denn Karl war zu jung, um einen eigenen Hausstand gründen zu können.
Sie zog Susanne ein Stück beiseite und zeigte ihr versteckt vor den Blicken anderer ihre Münzen. »Was kann ich dafür kaufen?«
»Was willst du denn haben?«, fragte Susanne unternehmungslustig.
Marthe zeigte auf den Stand vor ihnen. »Ein Messer für meinen Stiefsohn, Haarschleifen für meine Stieftöchter und ein paar Kräuter oder Samen.«
Susanne zog die Nase kraus, wie sie es oft tat, wenn sie nachdachte.
»Mal sehen. Am besten, du lässt mich machen und sagst kein Wort. Diese gewieften Krämer hier erkennen sofort, dass du dich nicht auskennst, und verlangen von dir den doppelten Preis. Aber du hilfst mir dafür, einen guten Liebestrank zu finden!«
Sie zog Marthe mit sich zu dem Stand eines Scherenschleifers, der auch mit Messern handelte. Der erkannte sofort, dass er zum Kauf entschlossene Kundschaft vor sich hatte.
»Ihr findet bei mir die beste Ware, meine Schönen. Und alles zu günstigsten Preisen«, rief er ihnen mit laut tönender Stimme entgegen und wies auf die breiten und schmalen Klingen. Susanne rümpfte die Nase. »Das müssen wir erst noch sehen. Sind die auch wirklich scharf? Das hier, das setzt doch schon Rost an …«
Beleidigt und wortreich wies der Händler die Vorwürfe zurück und begann mit Susanne zu feilschen. Marthe erkannte, dass die beiden ein viel geübtes Spiel miteinander spielten. Nachdem Susanne sich schon abgewandt hatte, ging der Händler wie erwartet auf den Preis ein, den sie zuletzt geboten hatte. So war Marthe eine Münze los und hatte dafür ein gut in der Hand liegendes Messer für Karl erworben.
Mit ähnlicher Gewandtheit feilschte Susanne um ein rotes und ein blaues Haarband für Johanna und Marie. Mit dem Geld, das ihr der Händler herausgab, wollte Marthe nun Ausschau nach Sämereien halten, die sie im Garten heranziehen konnte, um Heiltränke zu brauen.
Aber zuvor zog Susanne sie zu einem Zelt am Rande des Marktes, wo eine hutzlige Alte mit durchtriebenem Gesichtsausdruck sie aufmerksam musterte.
»Ihr wollt einen Liebestrank?«, fragte sie dann und reichte Susanne ein winziges Tonkrüglein. »Schütte ihm das heimlich ins Essen oder ins Bier, und er wird dich lieben und begehren,auch wenn du ihm keinen Sohn gebärst, sondern nur eine Tochter.«
Susanne griff nach dem Krüglein und gab es Marthe. Die zog das winzige Knäuel heraus, das die Öffnung verschloss, und roch an dem Inhalt.
»Schafpisse, vermischt mit Baldrian«, flüsterte sie Susanne ins Ohr. »Willst du das deinem künftigen Mann wirklich ins Bier schütten? Dafür wird er dich eher verprügeln als begehren!«
Susanne zog ein beleidigtes Gesicht. »Hast du noch etwas anderes?«, fragte sie die Alte.
»Oh, es wirkt stärker, wenn du heimlich seine Bruche auskochst und von dem Wasser etwas hinzutust. Dann wird er auf ewig kein anderes Weib ansehen, ich schwöre es beim Augenlicht meiner Mutter.«
»Wahrscheinlich ist ihre Mutter blind oder längst tot. Komm weg von hier«, zischte Marthe in Susannes Ohr und zerrte sie aus dem Zelt.
»Ich bin gleich zurück«, rief Susanne der Alten zu. Draußen schmollte sie. »Du weißt doch, wofür ich den Trank brauche!«
»Lass uns weitersuchen«, meinte Marthe. »Die Alte ist eine
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