Das Geheimnis der Hebamme
fragte Marthe leise Jonas, nachdem sie allen überschwänglich gedankt hatte.
»Oh, dem macht seine alte Verletzung so zu schaffen, dass er nicht mitkommen konnte«, knurrte der Schmied mit viel sagendem Gesichtsausdruck.
Marthes abenteuerliche Befreiung sorgte im Dorf für Gesprächsstoff und viel Gelächter. Guntram und Jonas organisierten für die Nacht Wachgänge, um vor einem möglichen Rachefeldzug der Bertholdsdorfer sicher zu sein. Aber alles blieb ruhig. Berthold schien auf eine Entgegnung zu verzichten. Immerhin hatte Marthe ohne Lohn fast sein halbes Dorf kuriert.
Zukunftspläne
Am nächsten Morgen erwachte Marthe mit dem sicheren Gefühl, dass Christian und Lukas nicht mehr weit sein konnten. Unruhig und fahrig arbeitete sie in den Beeten, während ihrdie Katze um die Beine strich. Immer wieder wandte sie den Blick suchend in die Richtung, aus der die beiden kommen mussten.
Als die Sonne den höchsten Stand überschritten hatte, richtete sich Marthe jäh auf und starrte auf den schmalen Pfad, der von Westen her ins Dorf führte. Lange stand sie so da, zur Verwunderung der Dorfbewohner. Grete trat bedächtig an ihre Seite.
»Siehst du etwas?«, wollte die Alte wissen.
Noch ehe Marthe antworten konnte, hörte sie ein Pferd wiehern. Aber es war nicht Drago, dessen war sie sich sicher. Was konnte das bedeuten? Sie wechselte einen raschen Blick mit Grete. Inzwischen näherten sich ihnen noch mehr Dorfbewohner.
Im nächsten Moment preschte Lukas auf seinem Braunen ins Dorf.
Marthe zuckte zusammen. Wo war Christian? War ihm etwas zugestoßen? Aber Lukas wirkte munter wie immer, hielt vor der Gruppe um Hildebrand und sprang vom Pferd.
»Mein Herr hat mich vorgeschickt. Er wird noch heute eintreffen«, verkündete er, während die Bauern Dankgebete ausstießen. Auch Marthe war erleichtert – bis sie Lukas’ Blick auffing. Rasch senkte sie die Lider und verschloss ihr Gesicht, denn sie befürchtete, dass der Knappe dort schon zu viel gelesen haben könnte.
Lukas wirkte für einen Moment irritiert. Doch dann wandte er sich wieder an Hildebrand und Griseldis.
»Der Herr bringt zwölf neue Leute mit«, eröffnete er dem überraschten Dorfältesten. »Ihr sollt schon alles für die Ankunft vorbereiten: einen großen Kessel Essen kochen und in der Scheune für sie Platz schaffen.«
»Zwölf Leute? Aber wo sollen die hin und was sind das überhauptfür welche, junger Herr?«, rief Griseldis schrill, bis ihr Mann sie in die Rippen stieß.
»Schsch …, Weib! Schweig still, der Herr wird sich schon etwas dabei überlegt haben. Du hast es gehört, also kümmere dich.«
»Christian wird es euch selbst erklären«, entgegnete Lukas.
»Er wird bald eintreffen.« Lächelnd wandte er sich an Grete: »Was denn nun, gibt es nicht einmal einen Krug Bier für einen weit gereisten Mann?«
Während die Frauen darangingen, eine Mahlzeit für die Neuankömmlinge vorzubereiten und in der Scheune Platz zu schaffen, hielten die Jungen Ausschau nach Christian und seiner rätselhaften Begleitung. Es war schon kurz vor Einbruch der Dämmerung, als Kuno wild mit den Armen schlenkernd durchs Dorf stürmte. »Sie kommen, sie kommen!«
Erleichtert und beklommen zugleich sah Marthe von ihrer Arbeit auf. Wie die anderen lief sie den Ankömmlingen entgegen, um den Herrn des Dorfes gebührend zu begrüßen.
Unter gesenkten Lidern musterte sie den Ritter und die Leute, die er mitgebracht hatte. Es waren zehn Männer und zwei Frauen, eine davon hochschwanger. Ihr Anführer war in gutes Tuch gekleidet und trug sogar ein Schwert an seiner Linken. Er musste also von höherem Rang sein. Was mochte ihn hierher geführt haben? Der Fremde ließ seinen Blick so intensiv über den Boden wandern, dass sie den Eindruck hatte, er suche etwas und würde am liebsten das Erdreich danach durchwühlen.
Christian stellte ihn den Siedlern als Bergmeister Hermann vor. Während Grete zuerst Christian, danach dem Bergmeister und dann seiner Begleitung Bier zur Erfrischung reichte,und sich die Ansammlung der Dorfbewohner langsam zu zerstreuen begann, huschte Marthe unauffällig davon.
»Was gibt es Neues?«, erkundigte sich Christian, nachdem er Grete gedankt und durstig einen großen Schluck getrunken hatte.
Natürlich war das Abenteuer vom Vortag das Erste, wovon er erfuhr. Die jungen Männer konnten es gar nicht erwarten, von ihrem siegreichen Streifzug ins Nachbardorf zu berichten.
Doch während sie prahlten, verfinsterten sich Christians
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