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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Vortag erst war Otto von einem weiteren Reichstag in Bamberg zurückgekehrt – mit Oda an seiner Seite, während Hedwig im Kindbett um ihr Leben und das seiner Tochter kämpfte.
    Etwas stimmte nicht bei dieser Geburt, das erkannte Marthe sogar von ihrem Beobachterposten aus. Doch sie durfte nicht eingreifen, obwohl sie sich nur noch mit Mühe zurückhielt. In der Kemenate führte die alte Hebamme das Kommando, die schon Albrecht und Dietrich auf die Welt geholt hatte.
    »Das Kind liegt falsch. Ich muss es Euch aus dem Leib ziehen«, verkündete die Alte schließlich.
    »Nein, warte«, rief Marthe. Sie hatte die andere Frau nur mit Mühe dazu bringen können, den Wehen ihren Lauf zu lassen und das Kind nicht längst herauszuzerren, wie es viele Hebammen taten. Wenn sie jetzt nicht einschritt, würde die Alte Hedwigs Leib so weit aufreißen, dass die Verletzungen vielleicht nie wieder richtig heilten – ganz abgesehen von den Schäden, die sie anrichtete, wenn sie ihre rissigen Hände so tief in den Körper bohrte.
    »Vielleicht kann ich das Kind drehen«, sagte Marthe, während sie sich an das Bett der Kreißenden durchkämpfte.
    »Unfug«, fauchte die Alte. »Das Kind will mit dem Arsch zuerst nach draußen – und die Herrin hat keine Kraft mehr.«
    »Einen Versuch ist es wert«, beharrte Marthe.
    »Bitte, Herrin, lasst es mich versuchen. Vielleicht gelingt es mir, das Kind zu holen, ohne dass Ihr dabei verletzt werdet. Ihr werdet dann auch schneller wieder genesen«, redete sie der Markgräfin zu, die kreidebleich und mit verschwitztem Haar auf dem Geburtsstuhl saß.
    »Tu es. Aber mach, dass es bald ein Ende hat«, stöhnte Hedwig, die eine neue Wehe kommen spürte.
    Mit wütendem Blick und abfälligem Gemurmel trat die alte Hebamme beiseite. Marthe hielt Hedwigs Hand, bis die Wehe vorüber war, und spürte den flachen Puls. In einem hatte die Alte Recht: Die Markgräfin war am Ende ihrer Kräfte. Das Kind musste so bald wie möglich heraus, sonst war Hedwig in Gefahr. Doch die Wehen wurden schwächer statt stärker.
    »Könnt Ihr hinüber aufs Bett gehen?«, fragte Marthe besorgt, als die nächste Wehe vorbei war. »Ich kann die Lage des Kindes besser erfühlen, wenn Ihr liegt.«
    Während die alte Hebamme verächtlich prustete, stützten zwei Kammerfrauen die Markgräfin für die paar Schritte zur Bettstatt.
    Mit geschlossenen Augen tastete Marthe über Hedwigs geschwollenen Leib, erspürte Gliedmaßen und Kopf des kleinen Wesens, das ans Licht wollte und nicht konnte.
    »Bringt heißen Würzwein zur Stärkung für die Herrin«, ordnete Marthe an. Dann übte sie zwischen den schnell hintereinander verlaufenden Wehen gezielt Druck aus, um die Lage des Kindes zu verändern.
    Endlich ging eine gewaltige Bewegung durch Hedwigs riesigen Bauch. Marthe atmete auf.
    »Nun liegt es mit dem Kopf nach unten, wie es sich gehört«, sagte sie mit frohem Lachen, nachdem sie sich vergewissert hatte. Wenn ihr Vorhaben nicht geglückt wäre, hätte sie das Kind im Leib der Schwangeren gedreht und an einem Arm herausgezogen. Aber so war es besser.
    Hedwig, die immer noch nicht geschrien, doch herzzerreißend gestöhnt hatte, zeigte ein kurzes, schmerzverzerrtes Lächeln. »Gott sei gelobt«, flüsterte sie. »Ich habe keine Kraft mehr … Weder bei Albrecht noch bei Dietrich war es so schlimm …«
    »Gleich ist es geschafft, Herrin! Ich werde Euch ein Mittel zur Stärkung geben.«
    »Was tust du da in den Wein?«, mischte sich die alte Hebamme schroff ein.
    »Nur etwas Mistel«, antwortete Marthe ruhig, während sie flink eine winzige Prise von jenem gefährlichen Pilz hineinrührte, der manchmal auf Roggenähren wuchs.
    Es war ein verhängnisvolles Gift, das – von unachtsamen Bauern mitgeerntet – schon ganze Dörfer in den Wahnsinn und den Tod getrieben hatte. Manche Frauen stießen damit auch unerwünschte Kinder ab, selbst wenn sie dabei Gefahr liefen zu sterben. Doch in winziger Menge beschleunigte das Pulver die Wehen.
    Marthe half Hedwig auf, die in hastigen Zügen trank, bevor die nächste Wehe kam. Dann kniete sie sich neben sie aufs Bett und drückte mit beiden Händen das Kind nach unten.
    Die alte Hebamme hatte sich zwischen den angewinkelten Beinen der Kreißenden postiert. »Der Kopf war schon zu sehen«, rief sie aufgeregt und erleichtert zugleich, denn ein unglücklicher Ausgang einer hochherrschaftlichen Geburt konntefür eine Hebamme gefährliche Folgen haben. Das wussten beide nur zu gut.
    Beim nächsten

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