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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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viel Entschlossenheit war sonst nicht Wiprechts Art.
    Deshalb verlegte sich Marthe zunächst aufs Bitten. »Ich brauche sie hier, damit sie mir bei meiner Arbeit hilft. Ich habe immer mehr zu tun, und sie ist wirklich begabt dafür.«
    »Dann schicken wir eben Marie zum Herrenhof. Eine von beiden geht.« Wiprecht hieb mit der Faust auf den Tisch. »Und jetzt bring mir das Essen!«
    Marthe dachte nicht daran. Sie war außer sich. »Willst du denn nicht wahrhaben, in welche Gefahr du sie schickst?!«
    Langsam erhob sich Wiprecht von seiner Bank und blickte sie drohend an. »Hör endlich auf mit deinen Grillen, närrisches Weib!«
    »Närrisch? Du bist der Narr, blind gegenüber allem, was du nicht sehen willst«, schrie Marthe, die Hände in die Seiten gestemmt. »So wie damals, als dich Wilhelma gewarnt hatte, dass dein Bruder hinter den Mädchen her war!«
    »Das ist eine Lüge«, brüllte Wiprecht zurück. »Verleumde nicht jemanden, den du nicht kennst.«
    »Es ist wahr! Wilhelma hat ihr letztes bisschen Lebenskraft geopfert, um die Mädchen vor ihm in Sicherheit zu bringen. Und ich habe ihr auf dem Sterbelager versprochen, die zwei zu beschützen.«
    Vor Wut keuchend arbeitete sich Wiprecht hinter dem Tisch hervor, griff nach dem erstbesten Holzscheit und ging auf Marthe los.
    »Ja, ich habe Wilhelma verloren! Und was habe ich dafür bekommen? Eine Hexe, die meinen Schwanz verdorren lässt und nicht einmal mein Haus besorgt, weil sie sich ständig anderswo mit hohen Herren herumtreibt und ihnen als Hure dient.«
    Mit zwei Schritten drängte sich Karl zwischen Marthe und seinen Vater, den er inzwischen um mehr als eine Kopflänge überragte, wand ihm das Scheit aus der Hand und beugte sich drohend über ihn.
    »Bei Gott, ein Sohn soll nicht die Hand gegen seinen Vater erheben, aber ich schwöre, ich tu’s, wenn du sie auch nur anrührst.«
    Wiprecht wich zurück.
    »Die Hure nimmst du zurück«, forderte Karl mit funkelnden Augen.
    »Ja«, murmelte Wiprecht kleinlaut.
    »Geschieht dir recht, wenn dein Schwanz verdorrt«, fuhr Karl unerbittlich fort. »Er soll dir ganz abfaulen, wenn du noch einmal wagst, so mit ihr umzugehen.«
    Karl drehte sich zu Marthe um. »Komm weg hier. Wir müssen zu Jonas, seine Tochter fiebert.«
    Gemeinsam verließen sie die Kate. Nach ein paar Schritten blieb Karl stehen. Marthe tat es ihm gleich und blickte ihn fragend an.
    »Der Tochter von Jonas geht es gut. Aber ich musste einfach raus.«
    »Er wird eines der Mädchen zu Hartwig geben«, sagte Marthe bitter.
    »Ich fürchte, das wird er. Als Hausvater darf er das entscheiden. Niemand wird mich bei dieser Sache gegen ihn unterstützen. Alles, was ich tun kann, ist, sie im Auge zu behalten und mit Hartwig auszuhandeln, dass sie zum Schlafen zu uns kommt.«
    Marthe wusste, dass Karl Recht hatte. Die Angst um ihre Ziehtöchter überwältigte sie so sehr, dass sie tat, was sie noch nie getan hatte: Sie lehnte sich an Karls Brust und fing an zu weinen. Unbeholfen, aber sanft strich er ihr übers Haar. Doch dann spürte sie, wie sein Körper auf sie reagierte.
    Erschrocken fuhr sie zurück. Er war ihr Stiefsohn!
    Karl räusperte sich und trat selbst einen Schritt zurück. Doch sein Blick war voller Zärtlichkeit.
    Niemand hatte bemerkt, dass Johanna ihnen gefolgt war. Schüchtern zupfte das Mädchen Marthe am Rock. »Ich werde zu dem bösen Mann gehen. Marie ist noch zu klein«, sagte sie mit ernstem Gesicht.
    Zu Karl gewandt, meinte sie dann mit tapferer Entschlossenheit: »Ich werde aufpassen, dass ich nichts falsch mache. Undwenn er mir Böses tun will, laufe ich ganz schnell zu Jonas und dir in die Schmiede, ja?«
    Am nächsten Morgen band Johanna ein Tuch über ihr Haar und ging los, um ihren Dienst auf dem Herrenhof anzutreten.
    Karl hatte zuvor seinen Vater begleitet, als der mit Hartwig Johannas Lohn aushandelte, um sicherzugehen, dass auch die tägliche Rückkehr seiner Schwester vereinbart wurde, und um den Verwalter aufzufordern, dafür zu sorgen, dass seine Männer das Mädchen in Ruhe ließen.
    Marthe band ihr einen Vogelbeerzweig als Schutz gegen das Böse um – ein unübersehbarer Hinweis für Hartwig. Vielleicht fürchtete er doch in seinem Innersten, sich mit einer Hexe anzulegen, wenn er Marthes Stieftochter misshandelte?
    Das war vorerst der einzige Schutz, den sie Johanna geben konnte.
    Fortan hielt sie von ihrem Haus oder dem Garten aus immer wieder Ausschau nach dem Mädchen. Manchmal sah sie die Kleine Brennholz

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