Das Geheimnis der Hebamme
gekommen, wirkte aber benommen und verwirrt.
»Wer ihnen zu trinken gibt, erleidet dieselbe Strafe«, verkündete Randolf.
Marthe hörte Emma hinter sich aufschluchzen.
Das Einzige, was sie jetzt noch für Jonas tun konnte, ließ sich vor so vielen Zuschauern schwer bewerkstelligen. Während sie so tat, als ob sie noch mit dem Verband beschäftigt sei, legte sie wenigstens für einen kurzen Moment ihre Hände auf seinen verletzten Kopf.
»In der Nacht komme ich und bringe euch Wasser«, flüsterte sie. »Bis dahin werde ich für euch beten.«
»Dann bete darum, dass ich die Kraft habe, das hier durchzustehen, ohne zu schreien«, stieß Karl leise zwischen den Zähnen hervor. »Aber komm nicht hierher. Es ist zu gefährlich!«
»Das reicht!« Randolf gab einem seiner Leute einen Wink, der daraufhin Marthe von Jonas wegzerrte.
Voller Angst um die beiden ging sie zurück zu den anderen Dorfbewohnern. Dort zog sie die wimmernde Marie zu sich und drückte sie fest an sich. Johanna stand stumm in der Nähe des Herrenhofes, während ihr die Tränen übers Gesicht liefen.
Randolf wies seinen stärksten Mann an, den Schmied zuerst auszupeitschen. Schon nach wenigen Schlägen sackte Jonas wieder zusammen. Bewusstlos hing er an den Stricken, mit denen seine Handgelenke festgebunden waren.
Auf Randolfs Befehl übergoss ihn jemand mit einem Eimer Wasser. Der Schwerverletzte kam zu sich, erbrach sich und verlor erneut das Bewusstsein.
Marthe wurde mit Grauen klar, dass Randolf die Reihenfolge der Bestrafung auch deshalb so festgelegt hatte, um Karl Angst einzuflößen. Der zuckte bei jedem Schlag zusammen, der den bloßen Rücken des Schmiedes traf.
Karl schaffte es anfangs, nicht zu schreien, als er an der Reihe war. Doch bald stöhnte er qualvoll, während die biegsame Weidenrute seinen Rücken zerfetzte. Schließlich stieß er einen herzzerreißenden Schrei aus und sackte zusammen.
Die meisten Dorfbewohner waren niedergekniet und beobachteten voller Entsetzen das grausame Strafgericht. Viele beteten.
Endlich gab Randolf seinem Büttel das Zeichen aufzuhören.
Ein paar Männer hatten inzwischen zwei Blöcke herbeigeschleppt und aufgestellt. Sie schleiften Jonas dorthin, legten seinen Hals und die Hände in die halbrunden Mulden und schlossen die Bretter zusammen, zwischen denen der Schmied nun halb hing, halb kniete.
Karl wankte, als er vom Pfahl losgeschnitten wurde, aber mit letzter Kraft ging er – wenn auch mit unsicheren Schritten – selbst zum zweiten Block.
Marthe bewunderte seine Tapferkeit, doch Angst und Mitleid zerrissen ihr fast das Herz.
Aber Randolfs Strafgericht war noch nicht zu Ende. Er trat zwei Schritte an die vor Entsetzen gelähmten Dorfbewohner heran.
»In diesem Ort herrschen Aufruhr, Widersetzlichkeit und Betrug. Das kann nicht länger geduldet werden«, verkündete er laut. »Von nun an herrschen andere Sitten. Wer von euch ist Guntram, der Zimmerer?«
Verwundert trat Guntram vor. »Ich, Herr.«
Randolf winkte zwei seiner Männer heran. »Nehmt ihn fest!« Bertha schrie auf. Guntram wollte sich wehren, aber ein kräftiger Hieb in den Magen ließ ihn zusammenklappen.
»Was wirft man mir vor?«, keuchte er, als er endlich wieder Luft bekam.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass dieser Mann Silber gestohlen hat, das dem Markgrafen zusteht«, erklärte Randolf ungerührt.
»Das ist eine Lüge«, schrie Guntram.
»Durchsucht sein Haus!«
Randolf schickte zwei seiner Leute aus. Entsetzt mussten Bertha und einige Dorfbewohner, die ihr gefolgt waren, mit ansehen, wie die Männer Schemel und Bänke kurz und klein schlugen und dann aus einer Truhe ein kleines Bündel zogen. Sie öffneten es und hielten triumphierend eine Hand voll Silber hoch.
»Der Beweis!«, rief Randolf.
»Das ist nicht meines. Jemand hat mir das untergeschoben!«, widersprach Guntram kreidebleich.
Randolf überhörte das. »Er ist nicht nur ein gewöhnlicher Dieb, er hat seinen Fürsten bestohlen. Hängt ihn auf!«
Bertha schrie gellend.
Energisch arbeitete sich Bergmeister Hermann durch den Menschenauflauf. »Mit Verlaub, Herr, dieser Mann arbeitet als Bergzimmerer und ist mir unterstellt. Nach altem Brauch entscheidet der Bergmeister über die Vergehen seiner Leute und legt die Strafen fest. Also übergebt den Mann mir, damit ich selbst die Sache untersuchen und ein Urteil fällen kann.«
»Kommt nicht infrage, Bergmeister. Mich hat der Markgraf mit der Erhebung seines Silberanteils beauftragt. Also werde ich
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