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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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und gab ihm einen verschrumpelten Apfel, während er die Menschen betrachtete, die sich ihm anvertraut hatten.
    Diese Bauern dort sind noch nie weiter als ein oder zwei Tagesmärsche von ihren Heimatorten entfernt gewesen, dachte er einmal mehr. Werden sie es schaffen, die Angst vor dem Ungewissen und die Gefahren des Weges zu überwinden?
    Es waren zumeist junge, kräftige Leute, die sich entschlossen hatten, in der Fremde ihr Glück zu suchen. Den ganzen Winter über hatten sie sich vorbereitet, hatten angefertigt oder ausgebessert, was sie an Gerätschaften mitnehmen konnten.
    Dass auch der Sohn des Dorfschmieds mit ihnen zog, war eine glückliche Fügung. Jonas hätte einmal die Schmiede des Vaters übernehmen können, doch er wollte sein Mädchen dem Zugriff des Burgherrn entziehen. Schwer zu glauben, dass er das überhaupt so lange geschafft hat, dachte Christian bei sich. Wulfhart galt auch in Bezug auf Frauen als rücksichtslos. Und die fünfzehnjährige Emma war unter den Dorfmädchen eine Schönheit.
    Bisher schienen alle gut mit den Strapazen des Weges zurechtzukommen, ausgenommen eine der Frauen, die von Tag zu Tag mehr verfiel. Vielleicht konnte dieses Mädchen Marthe etwas für sie tun?
    Wieder wanderte sein Blick zu dem Neuankömmling. Sie konnten gut jemanden brauchen, der sich aufs Heilen und Kinderholen verstand. Gebären war für die Frauen immer eine Sache auf Leben und Tod. Es würde schwierig werden, wenn den Männern in der neuen Heimat, wo die Siedler ganz auf sich allein gestellt waren, die Frauen im Kindbett wegstarben. Eigentlich war dieses Mädchen noch viel zu jung, um als Hebamme zu arbeiten. Doch Christian hatte das sichere Gefühl, dass nicht nur deshalb etwas Besonderes, das er noch nicht näher bestimmen konnte, an ihr war.
     
    Marthe freute sich. Der bevorstehende Aufbruch erfüllte sie mit Aufregung und Spannung. Jeden Gedanken an das grausige Geschehen des Vortages schob sie beiseite. Sie würde mit diesen Menschen hier ein neues Leben beginnen.
    Der Weg würde schwierig und gefahrvoll werden, doch auch das konnte sie heute nicht erschrecken. Wenn Gott ihr diese wunderbare Möglichkeit eröffnet hatte, würde er schon dafür sorgen, dass sie ihr Ziel heil erreichte.
    Nachdem Marthe am Abend zuvor bewusstlos zusammengesackt war, hatte sich die Zurückhaltung der Frauen unversehens in Mitgefühl verwandelt. Sie hatten sie mit ein paar kräftigen Schlägen wieder zu sich gebracht und ihr etwas zu essen gegeben. Selbst Griseldis, die ihr erst so zugesetzt hatte, munterte sie auf: »Wir müssen zusammenhalten.«
    Und Bertha, jene von Kummer gezeichnete Frau, deren Schwangerschaft sie erahnt hatte, fragte immer wieder, ob sie denn sicher sei mit ihrer Voraussage.
    »Ich bin so froh«, hatte Bertha gesagt, deren Augen leuchteten, während sie sich die Locken zurückstrich, die unter ihrer Bundhaube hervorschauten. »Und Guntram erst. So lange haben wir uns schon wieder ein Kindchen gewünscht!«
    Sie hatte Marthe umarmt und schützend die Hand über den Bauch gelegt.
    »Mein Mädchen war noch kein halbes Jahr, als das Fieber sie mir nahm. Und die beiden Jungs habe ich nicht über das schlimme Hungerjahr gebracht, als die Ritter, mit denen Wulfhart Fehde führte, uns nach der schlechten Ernte auch noch das Vieh gestohlen hatten. Seitdem bin ich nicht wieder schwanger geworden.«
    Marthe hatte ihr eine Hand auf den Arm gelegt. »Es wird diesmal gut gehen. Ich weiß es.«
    Für einen kurzen Moment zuckte wieder die unheimliche Ahnung vom Vorabend durch ihren Kopf: »Drei werden sterben, und einer wird uns ganz furchtbar verraten.«
    Hirngespinste!
    Sie streckte die kälteklammen Glieder, stand auf und ging zu den Frauen, um bei der Zubereitung des Frühstücks zu helfen. Es war ein karges Mahl aus Brei, der über heiße Steine gegossen und zu dünnen Fladen gebacken wurde. Marthe spürte, dass sie von vielen Seiten neugierig gemustert wurde, und konnte nun auch selbst ihre Reisegefährten genauer betrachten. Sie sah sofort, dass ihr Heilwissen hier gebraucht wurde. Fast alle Kinder schnieften und husteten, bei den Älteren bemerkte sie eitrige Abszesse, blutendes Zahnfleisch und grindige Köpfe. Mindestens eine der Frauen war schwanger, und Emma würde es bestimmt bald werden.
    Eine ältere Frau wirkte jedoch so krank, dass Marthe Zweifel hatte, ob sie überhaupt noch etwas für sie zu tun vermochte. Doch bevor sie zu ihr gehen konnte, kam ihr neuer Herr auf sie zu. Marthe wartete mit

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