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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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pochendem Herzen und gesenkten Lidern. Was mochte er von ihr wollen?
    Zu ihrer Überraschung wies er mit einer leichten Kopfbewegung in die Richtung, in die sie eben noch geschaut hatte.
    »Kannst du nach ihr sehen? Ich hätte sie gar nicht mitnehmen sollen. Aber sie hat mich auf Knien angefleht, mitkommen zu dürfen.«
    Marthes Blick war Antwort genug. Hilflos zuckte sie die Schultern. »Vielleicht kann ich ihr wenigstens etwas Linderung verschaffen, Herr.«
    »Dann tu das«, meinte Christian und ging an die Spitze des Zuges. Nicht nur Marthes Auskunft hatte ihn bestürzt. Jetzt, im Tageslicht, hatte er in ihren graugrünen Augen etwas entdeckt, das ihn irritierte. Sie erinnerten ihn an ein anderes Augenpaar – eines, in dessen Tiefen uralte Geheimnisse verborgen lagen.
     
    Das Mahl war schnell verzehrt. Während die Männer mit lauten Rufen die Kühe und Ochsen hochtrieben und vor die Wagen spannten, scheuerten die Frauen die Kessel und riefen die Kinder heran.
    »Gib mir deinen Korb, ich kann ihn tragen«, bot Marthe der Frau mit dem aschgrauen Gesicht an, um deren Zustand sich auch Christian sorgte. Dankbar half ihr die Ausgemergelte, das Weidengeflecht auf den Rücken zu hieven, und nahm zwei blonde Mädchen an die Hand, die vier und sechs Jahre alt sein mochten.
    Christian sprach ein Gebet für alle. Dann setzte sich der Zug in Bewegung. Nach Marthes Schätzung umfasste er mehr als vierzig Leute, die Kinder eingerechnet. Der Ritter saß auf einem prächtigen Grauschimmel an der Spitze, sein Knappe Lukas sicherte auf einem Braunen das Ende der Kolonne und führte das Packpferd seines Herrn. Alle anderen waren zu Fuß. Niemand von den Siedlern hatte sich ein Pferd leisten können.
    Mit lauten Rufen trieben die Männer die vier Ochsengespanne voran, die nur mäßig beladen und mit Hühnerkäfigen behangenwaren. Viel hatten die Siedler nicht mitnehmen können. Das Dorf war arm. Einige Familien führten ihre Habe auf Handkarren mit: Töpfe, Kannen, Äxte, Spinnzeug und Fässer unterschiedlicher Größe, die Saatgut und Vorräte an Erbsen, Rüben, Kohl und Getreide enthalten mochten. Ein mit Körben beladener Esel, ein paar Ziegen und Hunde vervollständigten den Zug.
    Die erste Strecke durch den Wald war mühsam.
    Zu dieser Jahreszeit waren noch kaum Fuhrwerke unterwegs und auch keine Hörigen, die die Wege in Ordnung hielten. Immer wieder zwangen umgestürzte Bäume zum Halten.
    Es war kalt, an manchen Stellen lagen Schneereste. Fröstelnd zog Marthe ihr Tuch enger um die Schultern.
    Bald kam die mit einem großen Bündel beladene Emma an ihre Seite und stellte ihrer Freundin diejenigen Mitreisenden vor, die sie von ihrem Platz in der Kolonne aus sehen konnten.
    Der Mann mit dem kugelrunden Kahlschädel, der am Vorabend im Feuer gestochert und dabei Marthes Zukunftsaussichten abgewogen hatte, hieß Hildebrand und war der Älteste der Gruppe. »Seiner Frau, Griseldis, widersprich besser nicht«, meinte Emma und verzog das Gesicht.
    Dann wies sie auf die Kranke, deren Korb Marthe trug, und den bekümmert wirkenden älteren Mann neben ihr. »Das sind Wiprecht und Wilhelma. Und da vorne, das ist die alte Witwe Grete. Auf ihr Wort hören sogar die Männer, wenn auch widerwillig.«
    Neugierig blickte Marthe auf die winzige Frau mit dem schlohweißen Haar, die gerade energisch auf einen jungen Burschen einredete, der sie ein ganzes Stück überragte.
    »Sie ist mit ihren Söhnen mitgekommen, die dem jungen Ritter die Felder bestellen werden. Einer ist im heiratsfähigen Alter. Vielleicht wird er bald dein Mann?«
    Emma kicherte, aber Marthe war verlegen. Der kraftstrotzende Bursche, mit dem Grete gerade schimpfte, hatte sie schon am Morgen mit Blicken gemustert, die sie ängstigten. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, mischte sich Jonas ein, der unmittelbar hinter ihnen ein Ochsengespann führte. »Habt ihr nichts weiter zu tun, als euch über andere das Maul zu zerreißen?«, spottete er, während sich Lachfältchen um seine dunklen Augen bildeten.
    Emma drehte sich um und strich ihm über die Wange. »Sie muss doch die Leute kennen lernen, mit denen sie einmal leben wird. Schließlich ist sie hier das einzige Mädchen im heiratsfähigen Alter.«
    »Außer dir! Vielleicht überleg ich mir’s ja noch mal mit der Hochzeit?«, neckte der Schmied.
    »Das würdest du bereuen«, gab Emma im gleichen Tonfall zurück. »Sieh dich nur um – es gibt genug Anwärter, die schon auf der Lauer liegen …«
    Laute Rufe von der

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