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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Sommersprossen auf seinem Gesicht ein. Er war im Zug ein Stück zurückgefallen, weil die Ziege, die er mit sich führte, stehen geblieben war, um nach ein paar Grashalmen zu suchen. »So groß ist die Welt gar nicht«, verkündete er mit wichtigtuerischer Miene und blickte dabei zu Marthe. »So weit ist es nicht einmal bis zum Sarazenenland, wo die Heiden leben und die Nüsse so groß sind wie der Kopf eines Mannes!«
     
    Inzwischen war die Sonne längst wieder verschwunden. Als die Reisenden den Wald hinter sich gelassen hatten und über ein Stück Land mit wilden Wiesen und losen Baumgruppen zogen, türmten sich dunkle Wolken, und ein eisiger Wind blies. Bald setzten heftige Hagelschauer ein. Hart prasselten die erbsengroßen Körner auf Mensch und Tier. Die Ochsen ließen sich nur mühsam weitertreiben, die Menschen zogen sich Kapuzen und Felle über den Kopf. Es dauerte nicht lange, bis der Boden so aufgeweicht war, dass sich die Wagenräder tief in den Schlamm drückten und das Vorwärtskommen noch schwieriger wurde.
    Marthe hielt den Kopf tief gesenkt, um sich vor Wind und Regen zu schützen, als vom Ende des Zuges plötzlich ein schlaksiger Junge zu ihr gerannt kam.
    »Schnell, versteck dich!«, rief er ihr zu. »Berittene kommen. Vielleicht suchen sie nach dir!«
    Schon lief er weiter nach vorne zu Christian.
    Marthe blickte sich hastig nach einem Versteck um.
    »Duck dich hier hinein«, rief Bertha, nahm ihr rasch den Tragekorb ab und wies auf ihren Handkarren. Schnell kletterte Marthe hinauf und kauerte sich zwischen ein Fass und einen Korb mit Rüben. Vorsichtig spähte sie unter dem Rand des filzigen Schaffells hindurch, das Bertha über sie geworfen hatte.
    Christian gab dem Zug Anweisung, so weit wie möglich zur Seite zu rücken, um die fremden Reiter vorbeizulassen. Doch die hatten schon am Ende der Kolonne gehalten und redeten auf den Knappen ein. Marthes Herz pochte ängstlich, als sie die beiden erkannte: Wulfharts Reisige waren immer noch hinter ihr her.
    Christian hatte inzwischen sein Pferd gewendet und lenkte es zum Ende des Zuges.
    »Was gibt es?«, fragte er Oswald und Ludolf.
    »Wir suchen nach einem Mädchen, das sich seiner gerechten Strafe entzieht. Etwa so groß« – der Narbengesichtige hielt die Hand in Höhe seiner Brust –, »rothaarig und in Hexenkünsten bewandert.«
    »Was wollt ihr von ihr?«
    »Sie hat den Erben unseres Burgherrn verhext. Seitdem ist sie verschwunden.«
    »Vielleicht hat sie sich sogar unsichtbar gemacht. Sie ist gefährlich«, fügte Ludolf hinzu und schaute sich besorgt um.
    »Solch ein Mädchen ist hier nicht vorbeigekommen«, antwortete Christian mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck.
    »Hm. Behaltet lieber die Augen offen«, knurrte Oswald und rieb über seine Narbe. »Wer weiß, was sie noch für Schaden anrichtet. Wenn Ihr sie seht, legt sie in Stricke. Unser Herr wird es Euch vergelten.«
    »Dank für den Rat«, verabschiedete Christian die beiden, wendete den Grauschimmel und ritt wieder an die Spitze des Zuges. Auf sein Zeichen hin setzten sich Menschen und Wagen erneut in Bewegung.
    Oswald und Ludolf berieten sich kurz und kehrten dann um.
     
    »Du kannst rauskommen«, meinte Bertha nach einer Weile. Erleichtert kroch Marthe unter dem Fell hervor.
    »Die bist du los, die kommen bestimmt nicht wieder«, rief Guntram herüber.
    »Und wenn, dann werden wir dich beschützen«, erklang eine Knabenstimme. Der Rotschopf, der die Welt nicht für groß genug hielt, als dass man sie mehrere Wochen lang durchwandern könnte, und ein gleichaltriger Junge mit rabenschwarzem struppigem Haar tauchten vor ihr auf.
    »Ich bin Kuno, und das ist Bertram«, stellte der Rothaarige sich und seinen Freund vor. Marthe musste lächeln, während die beiden schon wieder davonstoben.
    Sie waren kaum weg, als der Knappe auf seinem Braunen zu ihr aufschloss.
    »Ich denke nicht, dass sie noch einmal kommen. Aber ich werde aufpassen, mach dir keine Sorgen«, versprach der Knappe großspurig. Mit spöttischem Zwinkern nahm er ihren Dank entgegen und ließ die anderen an sich vorbeilaufen, bis er wieder seinen Platz am Ende des Zuges einnehmen konnte.
    Der Junge, der sie gewarnt hatte und der vielleicht zwei Jahre älter war als Marthe, blieb an ihrer Seite. »Ich heiße Karl«, stellte er sich vor und sah sie verlegen an. Doch dann rief einer der Männer nach Verstärkung, weil schon wieder eines der Ochsengespanne feststeckte. Mit bedauerndem Blick lief der Junge nach

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