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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Spitze des Zuges unterbrachen das Geplänkel. Die Kolonne machte Halt. Wie sich herausstellte, hatte eine dicke Wurzel auf dem Pfad beim ersten Ochsengespann ein Rad gelockert. Jonas lief nach vorn, um beim Ausbessern zu helfen.
    »Ich weiß nicht, was die Burschen ausgeheckt haben, aber irgendetwas haben sie gleich gestern Abend abgemacht, das mit dir zu tun hat«, raunte Emma Marthe zu. Die erschrak bei der Vorstellung, dass die jungen Männer sie bereits wie eine Ware auf dem Markt mustern und ihre Ehetauglichkeit diskutieren könnten.
    »Ich will noch nicht heiraten«, gab sie leise zurück. Sie hatte zwar das nötige Alter erreicht, aber ihr Monatsblut floss noch nicht, und ihr Körper hatte bislang kaum frauliche Formen angenommen.
    Emma lachte. »Vielleicht kannst du es eines Tages kaum erwarten.« Sie war sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis sich die Burschen darum schlugen, wer von ihnen das Mädchen bekam.
    Emma hat gut reden, dachte Marthe. Wer sonst hat schon das Glück, von seinem Liebsten zur Frau genommen zu werden? Ehen wurden von den Eltern abgesprochen, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Brautleute kannten und leiden mochten. Es gab Ehepaare, die sich mit der Zeit gut verstanden oder sogar Zuneigung zueinander fassten. Doch das Los der meisten verheirateten Frauen, die sie kannte, waren tägliche Plage, eine Schwangerschaft nach der anderen und nur zu oft dazu noch die Schläge des Ehemannes.
    Unversehens erlosch ihre Freude. Stattdessen war ihr auf einmal, als läge ein riesiger Stein in ihrem Magen. Denn gerade war ihr die Lage bewusst geworden, in die sie geraten war. In ihrem Heimatdorf hätte sie schlecht und recht von ihrer Arbeit leben können. Doch eine Gruppe von nur vierzig oder fünfzig Menschen, die selbst kaum etwas besaßen, war zu klein für einen Broterwerb in ihrem Gewerbe. Wenn sie weiter als Hebamme und Kräuterfrau arbeiten wollte, würde sie tatsächlich einen Ehemann brauchen, der sie ernährte.
    Wenigstens hatte diese Gemeinschaft einen Vorteil: Man konnte sie hier nicht jemandem zur Frau geben, der doppelt oder dreimal so alt war wie sie. Nur die jungen Burschen waren unverheiratet.
    Als Emma Marthes Unbehagen spürte, legte sie ihr tröstend den Arm um die Schulter. »Ritter Christian hat dich unter seinen Schutz genommen. Der weiß, was er tut. Auch wenn er kaum eine Miene verzieht, geschweige denn einmal lächelt«, versuchte sie das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
    »Etwas Trauriges umgibt ihn, aber nichts Böses«, wandte Marthe ein.
    »Vielleicht steckt ein Herzensgeheimnis dahinter. Aber er ist unser Lehnsherr und wird sich kaum herablassen, uns das auf die Nase zu binden«, meinte Emma.
    Von fern beobachtete Marthe den Reiter, der eine ruhige Kraft ausstrahlte und mit verblüffender Leichtigkeit sein Pferd dirigierte. Der Grauschimmel war wild und gefährlich, niemand außer dem Ritter und seinem Knappen durfte sich ihm nähern, hatten ihr die anderen gleich am Morgen eingeschärft. Das Tier war ganz bestimmt sehr kostbar, Christians Kleidung hingegen deutlich schlichter als die von Wulfhart, der ewig in Geldnöten steckte, und sein Schwert war ohne jeglichen Schmuck. Wie passte das zusammen?
    Und was lastete auf seiner Seele? Als sie am Morgen für einen winzigen Moment in seine Augen geblickt hatte, war darin nur erloschene Hoffnung zu sehen.
     
    Nach einer Weile begann der Weg anzusteigen, so dass sie immer wieder schieben helfen mussten, damit die Karren vorankamen. Durch die Anstrengung fror bald niemand mehr. Auch Marthe rann der Schweiß übers Gesicht. Die Last auf ihrem Rücken schien immer schwerer zu werden, die Trageseile schnitten tief in ihre Schultern ein. Sie klemmte die Daumen unter die Stricke, um den Druck zu mildern.
    Die Gespräche erstarben. Es war besser, den Atem zu sparen.
    Nur die zwei blonden Mädchen neben Wilhelma, die vor Marthe liefen, ließen ihrer kranken Mutter keine Ruhe
    »Gehen wir jetzt wieder nach Hause? Sind wir bald da?«, drängelte die Kleinere.
    »Nein, Marie, Liebes«, antwortete Wilhelma kraftlos zwischenzwei Hustenanfällen. »Wir werden nie wieder dorthin kommen.«
    Marie blieb stehen und fing an zu weinen. Johanna, die ältere der beiden, zerrte ihre heulende Schwester mit sich. »Wie weit ist es noch? Weiter als zum verwunschenen Weiher?«, wollte sie wissen.
    »Viel weiter. Wir werden Wochen unterwegs sein.«
    »Unmöglich!«, mischte sich ein magerer Rotschopf von etwa zehn Jahren mit unzähligen

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