Das Geheimnis der Hebamme
draußen, als sie die Kemenate betraten, und setzte sich.
Otto lehnte sich lässig an die Tür, verschränkte die Arme und sah sie spöttisch an. »Was hast du auszusetzen, meine Liebste?«
Hedwig ging nicht auf seinen Ton ein. »Findest du es wirklich klug, diesen Scharlatan dabeizuhaben, wenn es um vertrauliche Botschaften geht?«
»Ich weiß, dass du Aloisius nicht ausstehen kannst, meine Teure, aber er ist kein Scharlatan, sondern ein hochgelehrterMann. Du nimmst ihm bloß übel, dass er deinen Lieblingssohn für besessen erklärt hat.«
»Dietrich ist nicht von Dämonen besessen. Er ist doch noch so klein. Wie kann dieser Sterndeuter solch ein Urteil über ihn fällen?«
Nun verschränkte sie die Arme vor der Brust und blickte Otto provozierend an. »Wann ist zum letzten Mal eine seiner Vorhersagen eingetroffen?«
»Ich kann mich an keine erinnern, mit der er Unrecht gehabt hätte.«
»Weil er sie so abfasst, dass man alles mögliche hineindeuten kann! Und er wird dir wieder sagen, dass die Sterne raten, die nächste Schlacht am Dienstag nach Vollmond zu schlagen. Das tut er jedes Mal.«
Hedwig stand auf, schenkte Wein ein und reichte Otto einen Becher. »Lass uns nicht streiten. Aber ich traue diesem Menschen nicht. Und du solltest es auch nicht.«
Nachdenklich trank sie einen Schluck und stellte ihren Becher ab. »Wie willst du eigentlich den Krieg gegen den Löwen begründen?«
Otto kniff kurz ein Auge zu und lächelte durchtrieben. »Vielleicht mit unserer Treue gegenüber dem Kaiser?«
Nun lag doch Spott in Hedwigs Stimme.
»Das klingt seltsam aus dem Munde eines Mannes, der Jahre gewartet hat, bis er endlich seinem Kaiser den Lehnseid leistete, und der zu Hoftagen nur anreist, wenn es sich wirklich nicht umgehen lässt.«
»Mein Bruder Dietrich ist mit dem Kaiser nach Italien gezogen und auch Dedo ist viel bei Hofe. Das sollte wohl reichen«, knurrte Otto und lachte dann kurz auf. »Ich kann ja schlecht öffentlich zugeben, dass ich viel lieber den gottesfürchtigen Rotbart auf dem Kaiserthron sehe, weil der sowieso die meisteZeit in Italien beschäftigt ist, als den unberechenbaren Löwen. Schlimm genug, dass wir zwei Päpste haben – wir brauchen nicht auch noch zwei Kaiser. Wenn aber die zwei mächtigsten Männer im Reich einträchtig zusammenhalten, macht das uns andere Fürsten zu Schwächlingen.«
Hedwig drehte gedankenversunken an einem Ring, den ihr Otto geschenkt hatte. »Dass Rainald von Dassel die Allianz anführt, wird uns über jeden Zweifel erheben.«
»Du bist ein verdammt kluges Weib.«
»Und du sollst nicht fluchen, mein Herr und Gemahl.«
»Ach was. Ich hab genug Pfaffen hier auf dem Burgberg, die das für mich ausgleichen werden … Rainald ist ein gefährlicher Mann. Aber was immer er auch an Ränken ersonnen hat, er hat dabei nie gegen die Interessen des Kaisers gehandelt.«
Hedwig zog eine Augenbraue hoch. »Was glaubst du: Warum führt er die Allianz an?«
»Der Welfe hat sich zu oft mit der Kirche angelegt«, gab Otto zurück. »Spätestens seit dem Streit um Freising …«
Die Markgräfin nickte versonnen. Vor zehn Jahren hatte Herzog Heinrich die Zollstation des Bischofs von Freising zerstört, um ein Stück flussaufwärts an der Isar eine eigene zu errichten. »Aber gelohnt hat es sich für ihn«, gab sie zu bedenken.
»Die neue Zollstation bringt Heinrich fette Pfründe«, knurrte Otto. »Wie man hört, blüht und gedeiht dieses Munichen … Jemand muss Heinrich Einhalt gebieten.«
»Schließlich wollen wir doch nicht, dass einmal der Tag kommt, an dem der gesalbte Kaiser vor seinem Vasallen niederkniet, um ihn zum Waffendienst zu
bitten?
«, zitierte Hedwig ironisch einen berühmt gewordenen Ausspruch des Markgrafen.
Nun lachte Otto und ging mit einem Funkeln in den Augen betont langsam auf seine Frau zu.
»Ich liebe es, mit dir über diese Dinge zu plaudern. Das ist … so anregend …«
Hedwig musterte ihren Mann. Sie kannte diese Stimmung und genoss sie.
Als sie dem mehr als zwanzig Jahre älteren Meißner Markgrafen anvermählt worden war, hatte sie selbstverständlich auf diese Entscheidung keinen Einfluss gehabt. Die Hochzeit war abgesprochen worden, um die Rivalität zwischen den einstigen Kampfgefährten Konrad von Wettin und Albrecht dem Bären zu beenden. Sie war zutiefst erschrocken und hatte heimlich geweint, als sie hörte, wem ihr Vater sie zur Frau geben wollte.
Doch kurz vor der Hochzeit hatte ihre Großmutter Eilika sie beiseite
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