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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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belasten musste. »Das muss behandelt werden.«
    Plötzlich war es an Lukas, verlegen zu sein. »Ist doch nichts Schlimmes. Das heilt schon von allein«, murmelte er.
    Marthe schnaubte. Vom Handgelenk über den Unterarm prangte ein gewaltiger Bluterguss. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingern über die geschwollene, tiefblau verfärbte Haut. Alles fühlte sich hart an, die Finger seiner linken Hand waren eiskalt und klamm.
    »Wie wollt Ihr so zwei Pferde führen? Setzt Euch!« Sie deutete auf einen großen Stein neben sich und suchte in ihrem Korbnach Beinwellsalbe. Lukas war zu verblüfft darüber, dass von der Schüchternheit des Mädchens plötzlich nichts mehr zu spüren war, um zu widersprechen.
    Obwohl er sich bemühte, keine Miene zu verziehen, zuckte er kurz zusammen, als sie die Salbe mit kreisenden Bewegungen der Fingerkuppen sanft in die Haut einzureiben begann.
    »Ihr werdet Hand und Arm danach besser bewegen können«, versprach Marthe. »Also haltet still. Wie ist das passiert?«
    »Kleines Missgeschick mit Drago …«
    »Drago?«
    »Ritter Christians Grauschimmel.«
    »Ein seltsamer Name für ein Pferd«, meinte Marthe, während sie vorsichtig versuchte, sein Handgelenk zu bewegen. »Sagt, wenn es zu sehr wehtut.«
    »Wird schon viel besser«, log Lukas.
    Bis eben noch hatte er dieses magere, in Lumpen gehüllte Ding kaum zur Kenntnis genommen. Die teils versteckten, teils offenen Rangeleien, die die jungen Burschen längst um sie austrugen, ohne dass sie davon etwas zu bemerken schien, belustigten und verwunderten ihn gleichermaßen. Sie war doch noch fast ein Kind! Und jetzt kommandierte ihn dieses Kind wie ein Feldhauptmann herum. Doch sie schien ihr Handwerk zu verstehen. Allmählich breitete sich wohlige Wärme in seinem Arm aus.
    Redselig nahm er deshalb den Faden wieder auf. »Drago, das ist fremdländisch für Drachen. Der Grauschimmel ist ein Ungeheuer, wenn er sich angegriffen fühlt. Lässt keinen an sich ran, wenn es Christian nicht erlaubt.«
    »Aber Euch duldet er?«, fragte Marthe. Im nächsten Moment wurde sie flammend rot. Gerade hatte sie zugegeben, schon einigen Klatsch über den Knappen gehört zu haben.
    Der grinste breit. »Meistens. Hat zwei Jahre gedauert, bis ichmich ihm überhaupt nähern durfte. Und kaum achte ich einen Moment nicht auf seine Launen, quetscht er mich mit dem Sattel gegen einen Baum. Aber das hat er nicht ernst gemeint. Sonst müsstest du jetzt meine Reste unter seinen Hufen hervorkratzen, anstatt mich mit sanfter Hand zu streicheln.«
    Er lachte sie frech an. »Mach nur weiter …«
    Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. Sie hatte nichts weiter gewollt, als seine Verletzung zu kurieren. Hatte er das falsch verstanden? Würde er jetzt etwas ganz anderes von ihr einfordern?
    »Das müsste wohl reichen, junger Herr«, murmelte sie bang.
    Jetzt hab ich sie verschreckt, erkannte Lukas beschämt. Um kein peinliches Schweigen zwischen ihnen aufkommen zu lassen, begann er zu erzählen, dass Drago das Geschenk eines böhmischen Herrschers an den Fürsten der Mark Meißen war. »Ein Geschenk des Teufels! Erst waren alle hingerissen von dem kostbaren Tier. Aber niemand durfte auf seinen Rücken. Zwei Männer hat er zerstampft, etliche gebissen und gequetscht. Schläge mit der Peitsche, Hunger – nichts hat etwas bewirkt. Sie wollten ihn schon töten.«
    Der Knappe machte eine bedeutungsschwere Pause, doch Marthe fragte nicht, sondern schaute ihn nur gespannt an. Also redete er weiter.
    »Mein Herr Christian ist der beste Reiter, den ich je gesehen habe. Aber als er dem Biest zum ersten Mal den Sattel auflegte, hätte niemand auf sein Leben auch nur einen Vierting setzen wollen. Ein wahrer Ritter zeigt natürlich keine Angst. Aber ihm schien es einfach egal zu sein, ob ihn die Bestie gleich zu Tode stampfen würde.«
    Betroffen starrte Marthe ins Leere. Das war es!
    Sie hatte die Szene so lebhaft vor Augen, als wäre sie dabeigewesen. Es war Christian gleichgültig gewesen, ob er sterben würde. Das Tier musste gespürt haben, dass dieser Reiter im Gegensatz zu allen anderen nicht die geringste Spur von Angst oder Aufregung fühlte. Als Drago ihn nicht abwerfen konnte, erkannte er den Ritter als seinen Herrn an.
    Ein Schauer lief über Marthes Rücken, und sie hätte am liebsten bitter aufgelacht. Ich ziehe mit lauter Fremden in ein unbekanntes Land, dachte sie, verfolgt von Wulfharts Knechten, die mein Blut wollen, belauert von ein paar Burschen, die vielleicht schon um

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