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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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ebenfalls bei den Karren bleiben zu dürfen, um ihre knappen Vorräte an Heilkräutern mit ein paar jungen Misteltrieben aufzufüllen, die sie in der Nähe entdeckt hatte.
    »Ist dies hier das Wegzeichen?«, fragte Christian und wies auf drei hohe Tannen, die so dicht beieinander standen, dass sie aussahen wie zusammengewachsen.
    Hildebrand nickte mit kaum verhohlener Aufregung. »Von hier an noch drei Dutzend Schritte nach links.«
    Christian ging voran und bahnte sich und den anderen einenWeg auf dem dicht bewachsenen, kaum noch erkennbaren Pfad durch den Wald.
    »Dort, da muss er sein!«, rief Hildebrand bald und zeigte auf eine Höhle in den Felsen, deren Eingang fast vollkommen zugewuchert war. Beißender Gestank drang daraus hervor.
    »Seid gegrüßt, Ehrwürdiger«, rief Christian mit lauter Stimme. »Hier sind Menschen, die Euch um Euren Segen bitten wollen.« Doch nichts rührte sich.
    Vorsichtig näherte sich Christian der Höhle und warf einen Blick hinein, während ihm der grauenhafte Geruch fast den Atem nahm.
    »Niemand da.«
    »Er ist sicher nicht weit weg. Lasst uns einen Moment warten, Herr«, bat Hildebrand schüchtern.
    Noch einmal rief Christian nach dem Einsiedler, als er dicht hinter sich ein kaum hörbares Geräusch wahrnahm. Mit einer jähen Bewegung fuhr er herum und zog noch in der Bewegung das Schwert.
    Doch nach einem kurzen Blick auf sein Gegenüber steckte er die Waffe in die Scheide und hob die Handflächen zum Zeichen seiner Friedfertigkeit.
    »Verzeiht mir! Diese Menschen wollen Euch sprechen«, sagte er, während die anderen vor dem Fremden auf die Knie sanken.
    Der Alte sah Furcht erregend aus. Die vor Schmutz starrenden Lumpen verhüllten kaum seine storchendünnen Beine und ließen nur noch schwer erkennen, dass sie einstmals eine Mönchskutte gewesen waren. Sein dünnes, verfilztes Haar stand wirr ab und war offensichtlich jahrelang weder gekämmt noch gewaschen worden.
    Der Alte ließ ein Zischen hören und wackelte mit dem Kopf. »So viele!«
    Dann zeigte er mit dem Finger auf die Knienden und rief: »Alles Sünder! Alle verderbt! Ihr seid alle verloren!«

Der Fluch
     
    Marthe hatte ein paar frühe Huflattich- und Wegerichblätter geschnitten und legte sie auf den Weidenkorb. Dann sah sie sich nach einem Baum um, auf dem die Mistel niedrig genug wuchs, dass sie die Triebe erreichen konnte. Doch sie war kaum ein paar Schritte gegangen, als sich eine Hand schwer auf ihre Schulter legte. Sie zuckte zusammen und drehte sich schreckensbleich um.
    Doch hinter ihr standen nicht etwa Oswald oder Ludolf, wie sie befürchtet hatte, sondern Lukas, der Knappe. »Entferne dich nicht allein vom Lager«, sagte er und sah sie streng an.
    »Ich will nur etwas Mistel schneiden, junger Herr!«, erklärte Marthe, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
    »Hier wächst doch welche«, meinte Lukas und wies auf einen Baum neben ihnen. Dann verstand er.
    »Oh, zu hoch … Du kannst da nicht raufklettern, weil ein Mädchen das nicht tut …«, sagte er mit breitem Grinsen.
    »Dann werde ich dich wohl zum zweiten Mal an einem Tag vor einer misslichen Lage bewahren müssen.«
    Der Knappe warf einen prüfenden Blick nach hinten, ob bei den Tieren und den Wagen alles ruhig war, und machte dann Anstalten, auf den Baum zu klettern.
    »Wartet – bitte nehmt dieses Messer«, bat Marthe. »Und bevorIhr die Blätter schneidet, sprecht ein Gebet, dass die Heilkraft der Pflanzen den Menschen nutzen möge.«
    »Wird gemacht«, antwortete Lukas und musterte neugierig das kleine schmale Messer, das Marthe ihm reichte. Es schien sehr alt, die Klinge war vom vielen Schärfen schon ganz schmal geworden. In das abgegriffene hölzerne Heft waren eigentümliche Verzierungen geschnitzt.
    »Ihr dürft die Blätter nicht fallen lassen, junger Herr. Wenn sie den Boden berühren, verlieren sie ihre Heilkraft«, rief das Mädchen zu Lukas hinauf.
    Der hielt bald ein dickes Büschel hoch. »Reicht das?«
    Marthe nickte. Lukas sprang herunter und übergab ihr mit einer erneuten spöttischen Verbeugung Blätter und Messer.
    Marthe dankte verlegen, legte die Pflanzen in den Korb und steckte das Messer ein.
    »Gebt mir Eure Hand«, sagte sie zu Lukas. Der sah sie überrascht an.
    »Die Linke!«
    Lukas wollte die Hand wegziehen, aber sie hatte schon entschlossen danach gegriffen und den Ärmel hochgeschoben. Ihr war nicht entgangen, dass der Knappe beim Klettern den linken Arm geschont und das Gesicht verzogen hatte, als er ihn

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