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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Fellen, einem Vorrat an Hirse und zwei Sack Holzkohle wieder, die sie auf einen der Wagen legten. Dort war inzwischen Platz geworden, denn die Siedler hatteneinen beträchtlichen Teil der Ladung unterwegs für sich und das Vieh aufgebraucht.
     
    Hin und wieder lichtete sich der Wald und wich größeren Flecken mit wilden Wiesen oder Sümpfen. Der Boden wurde so morastig, dass die Wagenräder tief einsanken und oft stecken blieben. Am Vortag hatte es stark geregnet, berichtete der Köhler.
    In der Nacht setzte erneut Regen ein. Es mussten gewaltige Wassermassen sein, die vom Himmel kamen, denn das Wasser tropfte nicht, sondern rann ununterbrochen in dicken Fäden von den Ästen. Bald boten die Regendächer, die sie sich aus Zweigen und Fellen gebaut hatten, keinen Schutz mehr. Wer überhaupt Schlaf gefunden hatte, wurde wach und suchte, vor Nässe triefend und frierend, nach einem Unterschlupf.
    »Hast du jemals in deinem Leben schon so einen Regen erlebt?«, fragte Marthe die alte Grete. »Ich meine, dass das den ganzen Tag so geht. Als ob bald die nächste Sintflut über uns hereinbricht …«
    Die Witwe verzog das Gesicht. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Grete drehte sich zu dem Köhler um. »Kommt das hier in der Gegend öfter vor?«
    »So schlimm nicht. Nicht weit von hier steht eine Hütte, glaube ich. Da können wir Zuflucht suchen.«
    »Schön, dass ihm das jetzt einfällt«, knurrte Jonas, der seinen Umhang um die vor Kälte schlotternde Emma gelegt hatte.
    »Tut mir Leid – ich hatte das fast vergessen«, entschuldigte sich Gernot. »Vor zwei oder drei Jahren sind hier schon einmal Leute entlanggekommen, die wie ihr weiter östlich siedeln wollten. Sie hatten hier zwei Kranke zurückgelassen.«
    Christian schickte Lukas und Gernot aus, um die Hütte zusuchen. Bald kehrten beide triefend nass, aber zufrieden zurück. Die Siedler packten eilig zusammen und folgten ihnen.
    Das Regenwasser versickerte schon nicht mehr im Boden, sondern sammelte sich in größer werdenden Lachen. Erschöpft und durchgefroren erreichten sie die Hütte – ein roh gezimmerter Bretterverschlag, der wenigstens den Frauen und Kindern etwas Schutz vor dem Unwetter bieten würde, wenn sie eng zusammenrückten. Unmengen von Spinnweben ließen darauf schließen, dass die Hütte schon eine ganze Weile unbewohnt war.
    »Was ist aus den Kranken geworden?«, fragte Marthe den Köhler.
    »Keine Ahnung – abgeholt, fortgezogen oder tot. Falls sie gestorben sind, haben die Tiere nicht einen Knochen übrig gelassen.«
    Sie sind tot, dachte Marthe, die sich umgeblickt und in einer Ecke einen rostigen Gegenstand entdeckt hatte. Niemand würde ohne sein Essmesser weggehen. Ihr Blick traf kurz Christians, und sie erkannte, dass er dasselbe dachte.
     
    Christian ließ Brot an die durchnässten Siedler austeilen. Während die anderen aßen, begann er die Umgebung aufmerksam zu erforschen.
    Nur Augenblicke später alarmierte er Hildebrand, Jonas und die anderen Männer. »Wir müssen weiter auf den Hügel hinauf, und zwar schnell.«
    Hildebrand begutachtete verdrießlich die steile Böschung. »Auf dem nassen Boden kommen wir mit den Gespannen nie rauf, Herr. Unmöglich, viel zu steil!«
    »Dann führt die Tiere einzeln hoch! Jeder soll tragen, was er kann. Sonst verlieren wir alles! Der Bach wird anschwellen.«
    Während sich die Männer daranmachten, die Anweisung zubefolgen, sah Marthe wie gebannt zu einem Baum hinauf. Christian folgte ihrem Blick und zuckte zusammen: Schnecken krochen den Baumstamm hoch und hatten beinahe schon Mannshöhe erreicht.
    »Hinauf! Alle sofort den Hügel hinauf!«, brüllte der Ritter.
    Er machte mit schnellen Griffen seinen schnaubenden und stampfenden Grauschimmel und die anderen Pferde los und nahm zwei der Kinder unter die Arme, um mit ihnen in großen Schritten den Hügel hinaufzulaufen. Als Nächstes rannte Marthe los, griff nach den ihr anvertrauten Mädchen und zerrte sie mit sich. Inzwischen hatte Christian die Kinder bereits oben abgesetzt, schlitterte die steile Böschung hinab und hievte sich den mit seinen Krücken hilflosen Karl über die Schulter.
    Endlich kamen die anderen in Bewegung. Frauen griffen nach Kindern oder Körben, Männer rannten los, um die Tiere hinaufzuführen. Jonas kappte mit einem schnellen Hieb die Stricke, mit denen die Ochsen festgebunden waren, weil sich die Knoten nicht schnell genug lösen ließen. Wer oben seine Last abgeladen hatte, rutschte den Hügel hinunter, um

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