Das Geheimnis der Hebamme
müssen, damit es nicht verdirbt«, sagte er zu den Frauen und brach zu einem kurzen Erkundungsgang auf.
»Es ist hoffnungslos.« Guntram, der mit den anderen um das qualmende kleine Feuer saß, war der Erste, der etwas sagte. Er hatte die ganze Zeit über das Gesicht in seinen schwieligen Händen verborgen. Nun sah er auf.
»Um meines ungeborenen Sohnes willen – Bertha und ich werden nach Meißen gehen und versuchen, uns in der Burg oder bei einem Kaufmann zu verdingen.«
»Du willst aufgeben?«, fragte Jonas, der Emma an sich gedrückt hielt.
»Wie sollen wir denn in der Wildnis überleben, wo wir alles verloren haben? Wir werden verhungern!«, fauchte Kaspar.
Mehrere Frauen schluchzten auf und pressten ihre Kinder an sich, zwei umarmten sich weinend. Hildebrand sah unentschlossen von einem zum anderen und wünschte sich Christian herbei.
Marthe, die ihre Arme um Johanna und Marie gelegt hatte, damit sie sich gegenseitig ein bisschen wärmen konnten, bekam Angst. Was sollte aus ihr werden, wenn die Gemeinschaft das Vorhaben aufgab, ein Dorf zu gründen? Allein war sie ganz und gar verloren.
Bitte, lauft nicht auseinander, flehte sie stumm und drückte die beiden Mädchen so heftig an sich, als könnte sie damit die ganze Reisegesellschaft beisammenhalten. Gebt nicht auf so kurz vor dem Ziel!
Beklommene Stille machte sich breit.
Es war wieder Grete, die das Schweigen durchbrach. »Wir leben noch. Und Burchart könnte es auch, wenn er nicht so leichtsinnig gewesen wäre«, sagte sie mit fester Stimme. »Wir haben unsere Hände und können von vorne beginnen. Ich vertraue unserem neuen Herrn!«
Griseldis, die sich auf den Boden gehockt und den Kopf zwischen den Armen vergraben hatte, blickte wütend hoch.
»Du hast gut reden – du wirst einmal seinen Haushalt führen, deine Söhne werden sein Land bestellen«, rief sie. »Dir wird es an nichts mangeln. Aber was wird aus uns? Was sollen wir den Kindern im Winter zu essen geben?« Furchtsam starrte sie durch den prasselnden Regen. »Vielleicht hatte der Einsiedler doch Recht mit seinem Fluch.«
Unbemerkt war Vater Bartholomäus herangetreten und fuhr nun donnernd dazwischen. »Schweig, törichtes Weib! Lass dich nicht von einem Verblendeten leiten. Gott hat uns eine Prüfung auferlegt. Mit seiner Hilfe und unserer eigenen Entschlossenheit werden wir sie bestehen.«
Auf seinem kurzen Erkundungsgang haderte Christian mit sich selbst. Drei Menschen, die sich seiner Obhut anvertraut hatten, waren gestorben. War das Gottes Wille, oder hatte er sie nicht gut genug beschützt?
Als er sich dem heftig qualmenden Feuer näherte, richteten sich verzweifelte, misstrauische, aber auch Hoffnung heischende Blicke auf ihn.
»Ein paar Steinwürfe von hier entfernt können wir einiges von unserem Hab und Gut retten«, verkündete er. »In den Biegungen haben sich ein paar Fässer verfangen.«
Hildebrand räusperte sich. »Guntram will uns verlassen und sein Glück in Meißen versuchen.«
Mit unbewegter Miene nahm Christian die Nachricht auf.
»Noch jemand?«
Ehe einer der Männer antworten konnte, rief Bertha mit heiserer Stimme dazwischen: »Wartet!«
Guntram sah sie erstaunt an.
Bertha griff nach seiner Hand. »Ich will genau wie du, dass unser Sohn lebt und ohne Not aufwächst. Aber wir sind in der Stadt nicht sicherer. Lass es uns hier versuchen! Jeder von uns ist losgezogen, weil er einen Traum hatte – einen Traum vom eigenen Land.«
»Sie hat Recht«, wandte sich Grete an Guntram. »Wie wollt ihr die Kinder in der Stadt durchbringen, wenn ihr keine Arbeit findet? Wald und Fluss werden uns ernähren. Wir können Honig und Nüsse sammeln und Eichelmehl kochen. Und schließlich haben wir alles Vieh retten können.«
Zustimmendes Gemurmel ertönte.
Zögernd blickte Guntram zu Bertha. »Willst du das wirklich wagen? In deinem Zustand?«
Die nickte entschlossen. »Gerade deshalb. Niemand würde mich jetzt als Magd nehmen.«
Christian straffte sich. »Griseldis und Grete werden mit mir prüfen, was uns an Vorräten erhalten geblieben ist. Alles, was noch ausgesät werden kann, bleibt unangetastet. Wir werden nicht verhungern.«
Überrascht bemerkte Christian, dass auch Marthe um Erlaubnis bat, zu sprechen. Er nickte ihr aufmunternd zu.
»Wir müssen Regenwasser auffangen. Das Flusswasser wird auf Tage nicht trinkbar sein«, sagte sie.
Unwillkürlich richteten sich alle Blicke auf die schlammige, wirbelnde Brühe unter ihnen.
Zwei der Frauen standen
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