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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Vorräte von den Wagen zu holen.
    »Zuerst das Saatgut!«, rief Christian, nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle wohlbehalten oben angekommen waren.
    Misstrauisch behielt er den Bachlauf im Auge, während er Hiltrud aufhalf, die mit letzter Kraft einen Sack hinter sich her zerrte und immer wieder keuchend in den Schlamm fiel.
    Auf einmal schrie er: »Weg da! Lasst alles liegen! Sofort hinauf mit euch!«
    Augenblicke später übertönte ein donnernder Lärm den rauschenden Regen. Durch den Hohlweg kam eine gewaltige Wassermenge geschossen. Die tosende Flut riss alles mit sich,was ihr im Weg lag. In wilden Strudeln kreisten Äste und Tierkadaver.
    Fassungslos sahen die Menschen, wie die reißende Strömung die Hütte zerschmetterte und wegspülte, in der sie eben noch gesessen hatten, dann die Karren und mit ihnen den größten Teil ihrer Habe. Einen der Wagen riss das schäumende Wasser mit sich, bis er sich quer in den angeschwollenen Flusslauf stellte.
    Griseldis schrie und wollte zum Wasser rennen.
    Christian riss sie am Arm zurück. »Bleib hier! Das wäre dein Tod!«
    Hildebrands Frau heulte auf. »Wir werden verhungern!«
    Noch bevor der Ritter antworten konnte, kam Grete und versetzte Griseldis zwei kräftige Ohrfeigen. »Das werden wir nicht! Setz dich hin und rühr dich nicht vom Fleck.«
    Die entschlossene Witwe winkte Hildebrand heran und fuhr ihn an: »Sorg dafür, dass dein Weib nicht alle ansteckt mit ihrem Angstgeschrei.«
    Ein Warnruf von Lukas unterbrach sie.
    Christian fuhr herum und sah, wie der Knappe aufgeregt nach unten zeigte. Bis eben unbemerkt hatte sich einer der Männer hinuntergewagt, um noch etwas aus dem schäumenden, strudelnden Wasser zu retten.
    »Zurück! Komm zurück!«, schrie Christian.
    Marthe sah, wie der Mann versuchte, sich an einem Baum festzuhalten und mit dem anderen Arm nach etwas angelte. Plötzlich rutschte er ab und stürzte ins Wasser.
    »Burchart!«, schrie eine der Frauen, andere stöhnten entsetzt auf.
    Jetzt erst erkannte Marthe, wer da in dem wild tosenden Wasser um sein Leben kämpfte. Der Junge sollte sich als Hilfskraft in Jonas’ Schmiede anlernen lassen. Abgesehen von seinemAuftritt bei der Hochzeitsfeier, war er wegen seines Flötenspiels von den anderen Burschen immer nur ausgelacht worden. Vielleicht wollte er nun seine Tüchtigkeit beweisen.
    Burcharts Körper tauchte kurz unter und wieder auf, trieb auf einen Baumstamm zu, der quer in der Hohle hing, prallte dagegen und blieb daran hängen. Immer wieder ver schwand der Kopf im tosenden Wasser, um kurz darauf wieder aufzutauchen.
    Christian rannte zu seinem Packpferd, um ein Seil zu holen.
    »Rührt euch nicht vom Fleck«, schärfte er den Umherstehenden ein.
    Er band das Seil fest an einen Baum und schlang es sich um den Leib. Dann ließ er sich vorsichtig in die Hohle hinab, griff nach dem Verunglückten und gab ein Zeichen, dass die anderen sie wieder hinaufziehen sollten.
    Mit gequältem Gesicht erreichte er schließlich den Hügel und ließ den reglosen Körper zu Boden gleiten. Jetzt konnten auch die anderen sehen, was Christian schon während seiner Rettungsaktion erkannt hatte: Burcharts Kopf war auf einer Seite zerschmettert und hing in unnatürlichem Winkel herab, sein Genick war gebrochen.
    Mit entsetztem Schweigen blickten die Siedler auf den Toten, während Bartholomäus ein Kreuz schlug und ein Gebet zu sprechen begann.
     
    »Drei werden sterben.«
    Immer wieder musste Marthe an diesen Satz denken, der ihr am ersten Abend ihrer Flucht in die Fremde durch den Kopf gezuckt war.
    Wilhelma, Paul und nun Burchart.
    War das Zufall? Oder die Erfüllung einer furchtbaren Vision?
    Mit brutaler Macht überlagerte dieser Gedanke alle anderen Wahrnehmungen – den Regen, die Kälte, das Entsetzen und Wehklagen.
    Die Männer trieben inzwischen die Zugtiere zusammen und banden sie fest. Die Ochsen hatten sich kaum von dem Platz wegbewegt, an den die Männer sie gebracht hatten. Drago hielt die unruhigen Pferde beieinander.
    Es goss immer noch in Strömen, unter ihnen toste und strudelte das schlammbraune Wasser mit unverminderter Wucht.
    Christian suchte nach einem geeigneten Platz und ließ die Männer dort das gerettete Gut stapeln. Er schickte ein paar Jungen los, um Birkenrinde von den Bäumen zu schälen und Buchenäste aufzulesen, damit trotz der Nässe ein Feuer entzündet werden konnte.
    »Kocht uns etwas Warmes! Was an Vorräten feucht geworden ist, werden wir ohnehin schnell aufbrauchen

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