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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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neugierigen Blicken musterte.
    »Ich bin Marthe und gehöre zu den Siedlern, die gestern im Dunklen Wald angekommen sind.«
    »Ist das wahr?«, staunte das Mädchen, das etwa in Mar thes Alter war. »Dann hast du bestimmt eine gefährliche Reise hinter dir! Habt ihr wilde Tiere getroffen und böse Geister? Hexen, Teufel und schwarze Männer? Erzähle! Ich heiße Susanne.«
    Das stupsnasige Mädchen huschte hin und her, durchwühlte mehrere Truhen, legte Tücher zurecht und ließ dabei Marthe kaum aus den Augen. »Muss ein ziemlich anstrengender Weg gewesen sein.« Mit spitzen Fingern hob sie Marthes zerschlissenes Kleid hoch.
    »Verbrenn es nicht, bitte, ich habe kein anderes«, bat Marthe.
    »Für die Arbeit im Dorf wäre jedes neue Kleid zu schade.«
    »Wie du meinst«, gab Susanne zurück und rollte das alte Kleid zu einem Bündel. »Aber jetzt erzähl endlich von den bösen Tieren und Geistern. War es nicht schrecklich im Dunklen Wald?«
    »Gefährlich wurden uns nicht wilde Tiere und Dämonen, sondern Wegelagerer und Gesetzlose«, antwortete Marthe.
    Die Antwort schien Susanne zu enttäuschen. »Keine Wölfe, die über euch hergefallen sind? Keine Waldgeister? Was ist mitFeen, Riesen und Zwergen? Habt ihr denn gar keine gesehen? Dann erzähle wenigstens von den Räubern. Wie konntet ihr sie in die Flucht schlagen?«
    Marthe ließ sich langsam in das warme Wasser sinken und spürte, wie die Anspannung von ihr wich. Ihr war, als könnte sie mit dem Schmutz auch die Strapazen, Ängste und schlimmen Erinnerungen abspülen.
    Am liebsten hätte sie das Bad für sich allein in Stille genossen und sich ihren eigenen Gedanken hingegeben. Zu viel war passiert, zu rätselhaft war das Geschehen im Palas. Vor allem aber war sie tief in ihrem Innersten erschrocken darüber, mit welcher Klarheit Christian erkannt und ausgesprochen hatte, was sie sich selbst nicht hatte eingestehen wollen: Ja, es sah ganz so aus, als würde sie hellsichtig. Eine verwirrende und gefährliche Sache.
    Doch Susannes Redeschwall hielt sie in der Wirklichkeit fest.
    Das Mädchen hatte sich vor den Zuber gehockt, die Arme auf die Kante gestützt und den Kopf darauf gelegt. »Hier ist es manchmal recht eintönig, wenn nicht gerade Spielleute auf der Burg sind.«
    Sie wird so bald keine Ruhe geben, dachte Marthe. Und eine Freundin, die mir hilft, mich in dieser fremden Welt zurechtzufinden, kann ich gut gebrauchen.
    Also erzählte sie ihrer begeistert lauschenden Zuhörerin von der Reise, von dem Überfall und der Flut, wobei sie ihre außergewöhnlichen Ahnungen ausließ. Susanne lauschte mit kugelrunden Augen und offenem Mund.
    Marthe war sicher, dass ihre Geschichten mächtig ausgeschmückt in kürzester Zeit die Runde unter dem Gesinde machen würden.
    Ein anderes Mädchen legte ein Holzbrett über den Zuber und brachte Brot, Käse und Bier.
    »Hier, du sollst dich stärken. Ausdrücklicher Befehl von der Herrin«, sagte sie. »Was hast du getan, dass du so in ihrer Gunst stehst? Bäder bereiten wir sonst nur für hohe Gäste.«
    »Nichts Besonderes«, antwortete Marthe leichthin. »Dem Fürsten sind die Siedler wohl sehr willkommen.«
    Sie bot den Mädchen etwas von dem Brot und Käse an, aber die winkten ab. »Wir können uns etwas aus der Küche holen, wenn wir das geschickt anstellen«, meinte Susanne. »Iss nur, du kannst es gebrauchen. Erzähl lieber weiter. Ihr könnt von Glück reden, dass ihr den Räubern entkommen seid.«
    Als Marthe zu essen begann, merkte sie erst, wie hungrig sie war.
    »Hast du kein Heimweh?«, fragte Susanne und ließ ihr keine Zeit für eine Antwort. »Ich hatte furchtbares Heimweh, als ich hierher kam. Ich war ja noch so klein und sehnte mich nach meiner Mutter und meinen jüngeren Geschwistern«, erzählte sie. »Aber mit der Zeit habe ich mich eingewöhnt. Und mein Vater hatte mich immer geschlagen. Hier bekomme ich nur Schläge, wenn ich etwas anstelle und erwischt werde. Das ist viel besser. Nur vor dem Haushofmeister muss man sich in Acht nehmen. Und natürlich vor den Wachen und den Rittern. Die werden schnell mal zudringlich, wenn man sich nicht unsichtbar macht.«
    Für einen Moment schien Susannes Blick zu erstarren, und ein bitterer Zug legte sich um ihren Mund. Aber dann wandte sie sich wieder Marthe zu. »Also pass auf, dass du nie allein bist!«
    Eine weitere Magd kam und brachte ein Unterkleid aus ungefärbtem Leinen und ein waidblaues Obergewand. Es war von einfachem Zuschnitt, aber schöner als

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