Das Geheimnis der Hebamme
Fleischhauer vom Leibe hältst!«
»Du bist dir wirklich sicher?«, fragte Christian leise.
»Ja.«
Christian überlegte. Sie waren nicht mehr allzu weit von seinem Dorf entfernt. Mit Raimund auf einer Trage zwischen zwei Pferden konnten sie die Strecke vielleicht in drei Tagesritten bewältigen. Aber es würde eine schreckliche Qual für seinen Freund werden. Und keiner konnte wissen, ob ihm überhaupt noch drei Tage blieben, wenn das Fieber weiter stieg und das Bein brandig wurde.
Nach dem, was er von Marthes Heilkunst gesehen hatte, besaß er fast grenzenloses Vertrauen in das Können des Mädchens. Aber würde sie Raimund retten können, falls sein Freund das Dorf lebend erreichte? Und was war, wenn auch sie keinen anderen Weg sah, als das Bein abzunehmen?
So etwas würde sie doch nicht tun?
Für einen Moment tauchte ein Bild vor ihm auf: Marthe mit blutiger Schürze und Knochensäge über dem Bein seines Freundes. Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er das Phantasiegespinst. Sie war eine Kräuterkundige, kein Baderchirurg. Andererseits erinnerte er sich noch gut, wie entschlossen sie Karls gebrochenes Bein wieder eingerichtet hatte. Dieses Mädchen war zäher, als sie aussah.
»Du bist fest entschlossen?«, fragte er noch einmal.
Raimund nickte.
»Gut. Wenn du für eine geringe Hoffnung bereit bist, noch mehr Schmerz zu ertragen, höre mich an.«
Nachdem der Schwerkranke seinem Plan zugestimmt hatte, ging Christian zu Otto, um die Erlaubnis einzuholen, mit Lukas und Raimund die Truppe zu verlassen. Währenddessen sollten Gero und Richard bei Raimund bleiben und den Feldscher davonscheuchen, wenn der mit seinen Sägen und Aderpressen kam.
Die Hochzeit
Als Marthes Monatsblut zum ersten Mal floss, war ihre Entscheidung getroffen. Lange genug hatte sie nachgegrübelt.
Sie wartete, bis Griseldis einmal allein war, nahm allen Mut zusammen und ging zu ihr. »Wenn Wiprecht mich noch haben will – ich bin mit der Hochzeit einverstanden.«
Griseldis blickte überrascht auf. Dann zog unverhüllte Häme über ihr Gesicht.
»Sieh an. Jetzt ist er also gut genug für dich? Brütest am Ende schon einen Bastard aus?«
Marthe schluckte mühsam ihren Zorn hinunter. »Nein. Aber ich habe nun verstanden, dass ein junges Mädchen einen Herrn und Beschützer braucht«, sagte sie so ruhig sie konnte.
Diese Antwort schien Griseldis sehr zufrieden zu stellen.
Doch leicht wollte sie es Marthe nicht machen.
»Darüber müssen Hildebrand und Wiprecht entscheiden«, sagte sie mit verkniffenem Gesicht. »Du wirst gestehen müssen, dass du nicht mehr rein bist. Und ich will deine blutigen Tücher sehen, um mit gutem Gewissen sagen zu können, dass du Wiprecht kein Kuckucksei ins Nest legst.«
»Wenn er mich nicht will, kann ich ja zu den Männern ins Nachbardorf gehen«, antwortete Marthe heftiger, als sie wollte. »Die sind bestimmt nicht so wählerisch.«
Vor ein paar Tagen waren Martin, Kuno und Bertram auf einem ihrer Streifzüge in der Nähe einem frisch eingetroffenen Siedlertrupp begegnet, der nur aus Männern bestand. Doch da deren Anführer darauf bestanden hatte, dass seine Leute nichts mit denen aus Christiansdorf zu tun haben sollten, gab es keine weitere Verbindung zu den Neuankömmlingen. Nur Pater Bartholomäus ließ sich nicht davon abhalten,die neuen Nachbarn aufzusuchen und sich um ihr Seelenheil zu kümmern.
Griseldis schnaubte abfällig. »So weit kommt es noch, dass wir dich denen überlassen!«
Damit wusste Marthe, dass die Sache bereits entschieden war. Der Frau des Ältesten hätte es bestimmt wenig ausgemacht, ein geschändetes Mädchen wegzugeben. Doch auf eine Heilkundige im Dorf wollte und konnte sie nicht verzichten.
»Ich rede mit Hildebrand und Wiprecht.« Griseldis drückte Marthe den Löffel in die Hand, damit sie den Brei im Kessel an ihrer Stelle umrührte, und hastete mit gewichtiger Miene davon.
Während die Neuigkeit von der bevorstehenden Hochzeit die Runde machte, verkroch sich Marthe im Wald, um den Glückwünschen und den zu erwartenden Ausbrüchen von Martin und Karl zu entgehen.
Doch Emma stöberte sie in ihrem Versteck auf.
»Warum tust du das?«, murmelte sie und zog ihre Freundin an sich. »Du wirst todunglücklich sein.«
Genau vor diesem Gespräch hatte sich Marthe gefürchtet und deshalb Emma nicht in ihre Nöte eingeweiht, als sie nächtelang gegrübelt hatte.
»Man heiratet nicht, um glücklich zu sein«, sagte sie unwirsch.
»Was Jonas und du
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