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Das Geheimnis der Hebamme

Titel: Das Geheimnis der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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füreinander empfindet, ist eine Ausnahme. Pater Johannes hielt es sogar für Sünde, wenn Eheleute sich so sehr lieben.«
    Sie riss sich aus Emmas Umarmung und trat einen Schritt zurück. »Die Welt ist nicht so eingerichtet, dass ein Mädchen ohne Aufsicht eines Vaters oder Ehemanns bleiben darf – und schon gar nicht jemand wie ich. Es gibt keinen anderen Weg.«
    »Aber hättest du dir nicht wenigstens einen der jungen Burschen aussuchen können?«, rief Emma. »Einen, in den du dich noch verlieben könntest? Sieh nur, wie verrückt Karl oder Martin nach dir sind.«
    Marthe dachte an Martins heftige Küsse, seine drängende Härte, und die Bilder wurden sofort von der Erinnerung an die Brutalität Randolfs und seiner Kumpane überlagert. Ihr Leib schmerzte immer noch von den Verletzungen, die ihr die Männer zugefügt hatten. Ohne etwas dagegen tun zu können, begann sie am ganzen Körper zu zittern.
    »Ich könnte es nicht ertragen«, sagte sie schließlich leise.
    Emma verstand. Sie zog sie wieder an sich.
    »Auch Wiprecht wird seine Rechte einfordern«, meinte sie ebenso leise.
    Ja, nur nicht so oft und nicht so heftig, dachte Marthe.
    »Ich habe Wilhelma bei ihren letzten Atemzügen versprochen, dass ich mich um ihre Töchter kümmere«, sagte sie schließlich matt.
    Den letzten Grund aber verschwieg sie, weil ihr der Gedanke daran die Kehle zuschnürte. Als Ehefrau würde sie sicher nicht mehr nach Meißen reisen und Randolf begegnen müssen. Christian durfte nichts von dem Überfall erfahren. Niemals.
     
    Da niemand genau wusste, wann Christian zurückkommen würde, setzten Hildebrand und Vater Bartholomäus die Hochzeit auf den Tag der heiligen Margarethe fest, deren Beistand als Patronin der Feldfrüchte die Siedler besonders erhofften.
    Der Tag der reuigen Sünderin Maria Magdalena zwei Tage später wäre wohl passender, dachte Marthe bitter.
    Doch sie war erleichtert, dass die Hochzeit in Christians Abwesenheit stattfinden sollte. Die Vorstellung, ihm und Lukasals Braut unter die Augen zu treten, vielleicht noch wie Emma von Christian an den künftigen Ehemann übergeben zu werden, drückte ihr das Herz ab.
    Griseldis ließ nun keine Gelegenheit aus, um ihr klarzumachen, wie großzügig es von Wiprecht sei, sie zu nehmen, obwohl sie nicht mehr unberührt war und nichts mit in die Ehe brachte. Marthe biss sich bei diesen Gelegenheiten auf die Lippe und schwieg.
    Damit sie nicht in ihrem zerlumpten Kleid heiraten musste, richtete Bertha, die inzwischen kurz vor der Niederkunft stand, das waidblaue Kleid wieder her, das Hedwig Marthe geschenkt hatte. Mit einem ungefärbten Wollfaden besserte sie den großen Riss, den Randolfs Messer hinterlassen hatte, so aus, dass daraus eine bescheidene Stickerei wurde.
    Marthe versuchte, den Gedanken beiseite zu drängen, was geschehen war, als sie dieses Kleid zum letzten Mal getragen hatte.
    Diesmal kann ich es ertragen, redete sie sich zu. Diesmal ist es selbst gewählt. Und Wiprecht ist zwar alt, aber kein böser Mensch, sondern ein verzweifelter Witwer, der immer noch um Wilhelma trauert und nicht weiß, wie er seine kleinen Töchter durchbringen soll.
    In der Nacht vor der Hochzeit hatte sie einen verstörenden Traum. Sie sah sich ein karges Stück Land umgraben, und Ludmillus stand da und sah ihr zu. Mit einem Mal erfüllte sie das unsäglich traurige Gefühl, dass sie nie die Liebe kennen lernen und nie glücklich sein würde. Sie begann im Traum zu weinen und begriff, dass sie ihr eigenes Grab schaufelte, das schon eine Elle tief war. Doch dann begann Ludmillus auf seiner Laute eine zarte, einschmeichelnde Melodie zu spielen.
    Seltsam getröstet erwachte sie am Morgen, obwohl sie heiraten sollte.
    Bleich und stumm saß Marthe mit einem Kranz aus Wiesenblumen auf dem kastanienbraunen Haar an der langen Tafel, die die Siedler auf der Wiese am Bach errichtet hatten.
    Für die erste Hochzeitsfeier im neuen Dorf hatten Griseldis und Grete aufgeboten, was möglich war. Die Dorfbewohner schmausten und trieben die derben Späße, die Brautpaare über sich ergehen lassen mussten.
    Der Augenblick rückte immer näher, an dem Wiprecht sich erheben und Marthe bedeuten würde, ihm zu folgen. Doch ihr Ehemann schien es nicht eilig zu haben. Er wirkte kaum weniger verstört als die Braut. Zuweilen musterte er sie verstohlen von der Seite und goss sich dann mit fahrigen Bewegungen den Becher wieder voll.
    Wiprecht hatte dem Bier schon reichlich zugesprochen, während Marthe

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