Das Geheimnis der Hebamme
an und flüsterten miteinander.
Es sind wirklich alles Männer – wie Kuno und Bertram berichtet hatten, wunderte sich Marthe. Sie ignorierte die Blicke, mit denen sie gemustert wurde, und ging zu dem Verletzten. Der war nicht bewusstlos, sondern stöhnte auf und drehte seinen Kopf zu ihr.
Missmutig warf sie einen Kuhfladen beiseite, den jemand auf die Wunde gelegt hatte.
Der Fuß war rot und voll Hitze, so dass sie darauf verzichtete, heiße Umschläge aufzulegen. Die Wunde war so stark vereitert, dass sie ohnehin bald aufgebrochen wäre, hätte Wilhelms Bruder sich bewegen können. Sie ritzte die Wunde mit ihrem Messer an, drückte den Eiter sorgfältig heraus und entfernte den Holzsplitter, der das Unheil verursacht hatte. Marthe war froh, dass ihr Patient immer noch festgebunden war, denn während der Behandlung brüllte er wie am Spieß.
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass ein paar der Männer mit finsterem Gesichtsausdruck auf sie zukamen. Christian, derneben ihr stand, legte lässig die Hand ans Schwert, und sofort zerstreute sich die Gruppe.
Jetzt verstand Marthe, warum der Ritter mitgekommen war.
Sie wusch die Wunde sorgfältig aus, packte heilende Kräuter darauf, verband sie und gab dem Ältesten Anweisungen, wie sein Bruder weiter zu pflegen war.
Dann ritt Christian mit ihr ins Dorf zurück.
Wenig später brachten die Siedler die erste Ernte ein. Es war nicht viel an Hafer und Gerste. Die Gesichter der Frauen wurden immer nachdenklicher, als sie überschlugen, ob sie damit über den Winter kommen würden.
»Das wird nicht reichen«, jammerte Griseldis, doch Grete fuhr dazwischen.
»Dann schick deinen Bertram fischen und Eicheln sammeln! Kuno soll gleich mit, die beiden haben ohnehin viel zu viel Unfug im Kopf.«
Auch wenn die Ernte mager ausfiel, so war es doch die erste im neuen Dorf. Also ließ Christian ein Fass Bier holen, damit sie das feiern konnten.
Am nächsten Tag wollten Raimund, Elisabeth und die Witwe Amalia nach Meißen zurückkehren.
»Lass uns ein Stück reiten«, schlug Raimund Christian an seinem letzten Abend im Dorf vor.
Sie sattelten die Pferde und galoppierten in die einsetzende Dämmerung.
An einer Lichtung hielt Christian an. Sie setzten sich und entzündeten ein kleines Feuer.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal auf ein Pferd steigen kann«, sagte Raimund schließlich.
»Und ich nicht, noch einmal so mit dir sitzen und reden zukönnen«, erwiderte Christian. Er schloss für einen Moment die Augen. »Es war einer der schwersten Momente in meinem Leben, als du mir diesen Schwur abgenommen hast, den Feldscher wegzuschicken. Von da an hatten dich alle aufgegeben.«
»Alle außer Marthe. Und damit wären wir beim Thema.«
Christian hörte auf, im Feuer herumzustochern, und sah hoch.
»Inwiefern?«
»Komm, ich bin dein Freund. Ich kenne dich seit so vielen Jahren. Was ist zwischen dir und der Kleinen?«
»Sie kümmert sich um meine Leute und ist eine ausgezeichnete Heilerin.«
Raimund musterte seinen Freund scharf. »Ich habe dich beobachtet, während ich krank in deinem Bett lag und sie mich versorgte. In ihrer Gegenwart hast du einen Gesichtsausdruck, der mich sehr an die Zeit erinnert, als du Luitgard verloren hast.«
»Dann muss ich an meinem Gesichtsausdruck arbeiten.«
Raimund griff nach Christians Schulter. »Mach mir nichts vor und mach dir nichts vor. Sie bedeutet dir etwas. Und ich gebe zu, sie ist ein außergewöhnliches Mädchen. Hübsch obendrein.«
»Sie ist kein Mädchen, sondern eine verheiratete Frau.«
»Sie ist die Frau eines deiner Bauern.«
Raimund ließ einen Augenblick verstreichen, ehe er vorsichtig weitersprach. »Es gibt genug Lehnsherren, die sich keinen Deut darum scheren würden.«
Als Christian schwieg, fuhr er fort: »Aber natürlich wird dein Ehrgefühl nicht zulassen, dass du sie dir einfach nimmst.«
»Genau!«, fuhr Christian auf. »Diese Leute sind aus ihrer Heimat fortgegangen, um einem Burgherrn zu entkommen, der sich rücksichtslos geholt hat, was er wollte – ob das Kornoder eine Frau. Soll ich jetzt auch solche Sitten einführen? Sie suchen hier Gerechtigkeit und Frieden. Darum sind wir hierher gezogen!«
Raimund seufzte. »Du hast Recht und auch wieder nicht. Natürlich bist du nicht vom Schlag dieses Wulfhart. Aber die Frage ist: Vielleicht will sie dich ja auch?«
»Das ist nicht die Frage«, entgegnete Christian heftig.
»Wenn wir Ritter uns nicht an die Regeln unseres Standes halten, wenn
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