Das Geheimnis der Heiligen Stadt
dringend benötigte Verstärkung.
»Dann kommt!«, rief er. Sein Pferd stieg, durch die Verzögerung ungeduldig geworden, und Geoffrey klammerte sich mit den Knien fest.
Roger sah ihn entsetzt an. »Was soll das? Wir wollen keine Johanniter bei uns!«
»Zunächst einmal ist es besser, wenn wir Courrances da haben, wo wir ihn sehen können«, sagte Geoffrey leise und sah zu, wie der Ordenskrieger zu seinem eigenen Reittier lief und seinen Männern knappe Befehle gab. »Und zweitens werden wir alle Hilfe brauchen, die wir kriegen können. Wenn Hugo Erfolg hat, wird Bohemund für alles verantwortlich gemacht werden, ob Hugo nun auf seinen Befehl hin handelt oder nicht. Und ich nehme stark an, dass er das nicht tut, denn Bohemund ist zu weit weg, um aus einem leeren Thron seinen Vorteil zu ziehen. Wenn Hugo den Vogt ermordet, müssen wir all unsere Kräfte vereinen, um zu verhindern, dass die Stadt in einen Bürgerkrieg stürzt. Und wenn wir uns untereinander bekämpfen, werden die Sarazenen im selben Augenblick über uns herfallen. Glaub mir, Roger, wir benötigen Courrances ebenso sehr wie er uns.«
Die Reiter donnerten die StraÃe entlang, die durch das Hügelland von Judäa zur Küstenebene und nach Jaffa führte, einer wohlhabenden Stadt, die etwa dreiÃig Meilen entfernt lag. Die vorherrschende Farbe der Landschaft rund um Jerusalem war ein blasses Gelbbraun, das bei tief stehender Sonne einen satten Goldton annehmen konnte. Es war spät am Morgen, aber die Sonne brannte schon heià herab und lieà die Umrisse der buschbestandenen Hügel flirren und verschwimmen. Hier und dort rangen kleine Wüstengewächse dem ausgedörrten Boden eine kärgliche Existenz ab und ernährten mühselig kleine Ziegenherden, die mit ihren Beduinenhirten umherstreiften.
Staub stieg in erstickenden Wolken unter den Hufen der Pferde auf, und die Krieger, die nicht in der vordersten Reihe ritten, konnten kaum etwas sehen. Geoffrey spürte, wie sich der Staub mit dem Schweià in seinem Gesicht vermischte und kratzend in die Kleider eindrang. Der Staub flog ihm in Augen, Ohren, Mund und Nase, und die ganze Welt schien aus nichts anderem zu bestehen als dem Hufschlag der Pferde auf trockenem Boden und der Sandwolke, die ihn einhüllte.
Geoffrey trieb sein Pferd an, bis er auf gleicher Höhe mit Roger ritt. Dann kniff er die Augen vor dem Sonnenlicht zusammen und hielt nach irgendeinem Anzeichen für Hugo Ausschau. Sie erreichten eine kleine Wasserstelle, wo sich knorrige Olivenbäume um einen flachen Tümpel drängten. Das Wasser war trübe und schlammig aufgewühlt von den Hufen der Tiere, die hier zur Tränke kamen. Neugierige Beduinen beobachteten die Reiter vom Schatten der Bäume aus und tauschten verständnislose Blicke darüber, was wohl so wichtig sein könnte, solche hektische Betriebsamkeit in der Wüstenhitze zu veranlassen. Mit verwirrtem Achselzucken kehrten sie schlieÃlich zu alltäglichen Geschichten und Klatsch zurück.
Jenseits der Oase stieg der Weg an und beschrieb eine Kurve. Er gewährte einen weiten Ausblick auf die Landschaft, die sich wie eine Decke vor ihnen ausbreitete. Geoffrey zog die Zügel an und klammerte sich mit den Knien an sein aufgeregtes Pferd, das stieg und auskeilte. Ein aufgeregtes Bellen von unten verriet ihm, dass sein Hund ihnen folgte, obwohl Geoffrey keine Ahnung hatte, wie das fette und faule Tier Schritt halten konnte.
»Da!«, rief er und zeigte mit dem Finger.
Weit in der Ferne war eine andere Reiterschar zu sehen und zeichnete sich als lange dunkle Linie vor dem gelben Wüstengrund ab. Es waren, überschlug Geoffrey hastig, mindestens hundert, die auf Jaffa zuhielten. Hugo hatte keinen Grund zu der Annahme, dass Geoffrey entkommen war und eine eigene Streitmacht versammelte. Aber er vermisste gewiss Roger unter seinen Leuten und legte daher ein rasches, aber nicht halsbrecherisches Tempo vor.
Courrances kam neben Geoffrey zum Stehen, kniff die Augen zusammen und schaute zu den fernen schwarzen Punkten, die Hugos Streitmacht waren. »Hundertzwanzig, würde ich sagen«, stellte er fest. Er blickte zu Geoffreys Männern. »Und wir sind vielleicht fünfzig.« Er sah wieder zu Geoffrey und musterte ihn mit seinen ausdruckslosen, blassblauen Augen. Dann gab er seinem Pferd die Sporen und setzte hinter seinen Johannitern her.
»Er hat Recht«,
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