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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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jugendlich. Er führte eine erfolgreiche Praxis und hatte im Burenkrieg vier Tapferkeitsmedaillen bekommen. Und er war ein exzellenter Tänzer.
    Aber seit seiner Ankunft in Montreal hatte keine Frau es geschafft, ihn sich zu angeln. Im vergangenen Sommer hatte ein Mädchen namens Barbara, die Tochter des Eisenbahnmag naten Dr. Owens, ihn eine Zeit lang für sich gewonnen. Bei Festen hatte er mit ihr getanzt, und der Vater der jungen Dame ließ verlauten, dass er mit einer Verbindung durchaus einverstanden wäre. Doch es wurde nichts daraus. Ich gehörte zu den wenigen Menschen, die sich nicht darüber wunder ten. Privat nannte Dugald Barbara Owens oft Babs die Ba zille und deutete an, dass sie ihm viel zu langweilig sei, aber ich hegte den Verdacht, dass die farblose Persönlichkeit der jungen Frau nicht das Problem war. Dugald zog einfach das Junggesellenleben vor. Er war nicht auf der Suche nach einer Frau.
    Ich war eine der wenigen Vertreterinnen der weiblichen Spezies, die er tolerierte, aber ich hatte immer gedacht, das liege daran, dass ich keine Bedrohung für ihn bedeutete. Ich lebte sozusagen in einer Art Niemandsland, das die Territorien der Geschlechter voneinander trennte. Durch meine Ausbildung und meine Arbeit war ich ihm sehr ähnlich. Dugald konnte mit mir reden, wie er das mit anderen Frauen nie und nimmer konnte. Meine emotionale Zugänglichkeit und meine Bereitschaft, ihm Tee und etwas zu essen anzubieten, waren ebenfalls Charakterzüge, die er zu schätzen wusste und die er von Männern in der Regel nicht kannte. Bis zu dem Abend im Club hatte ich geglaubt, uns würde eine solide Freundschaft verbinden.
    Nach dem Brand war Dugald fast täglich ins Museum gekommen. Ich war dort jetzt ganz allein, denn Jakob Hertzlich hatte uns verlassen. Dr. Clarke war damit beschäftigt, die medizinischen Einrichtungen der McGill-Universität wiederaufzubauen, und hatte keine Zeit, über meine verlorenen Präparate nachzudenken. Wir unterhielten uns wesentlich seltener als früher. Dr. Mastro verbrachte sehr viel Zeit bei seiner Frau im Staat New York, weil sich ihr Gesundheitszustand ständig verschlechterte. Dugald war mein Vertrauter geworden und nahm fast beiläufig die Position ein, die Jakob vorher ausgefüllt hatte. Er war ein Freund und eine Stütze in dieser schwierigen Zeit, er hatte Howlett geschrieben und dann, auf Howletts Empfehlung hin, an das Kriegsmuse um in Washington, um den Kuratoren dort das schreckliche Schick sal des medizinischen Museums an der McGill zu schil dern – mit dem Ergebnis, dass der McGill fast tausend Prä parate gestiftet wurden. Dugalds militärische Erfahrung war in dieser Hinsicht ein großer Vorteil gewesen. Er hatte mir Türen geöffnet, die sonst verschlossen geblieben wären. Ich war ihm zu Dank verpflichtet, und ich mochte ihn. Ich hatte nie damit gerechnet, dass er sich ernsthaft für eine Frau inter essieren könnte. Und schon gar nicht für mich.
    Jetzt, hier am Pier, hielt er mich an der Hand und zog mich wie ein widerstrebendes Schiff durch die Menschenmenge. Er freue sich so, dass ich gekommen sei, sagte er und schaute mir viel länger in die Augen als nötig. Es schmeichelte mir, dass dieser große, gut aussehende Mann mir plötzlich so viel Aufmerksamkeit schenkte, und das auch noch in aller Öffentlichkeit, aber ich traute der Situation nicht. Es fühlte sich alles so künstlich an, als würde Dugald eine einstudierte Theaterrolle spielen.
    Er zog mich bis zu Dr. Mastro. Mein Gesicht wurde ganz heiß. Bestimmt sahen wir ziemlich albern aus, wie wir da standen, Hand in Hand – die absurde Variation eines berühmten Märchens, nur diesmal Der Schöne und sein rotgesichtiges Biest . Dr. Mastro starrte mich mit großen Augen an. Ein paar Meter weiter stand Barbara Owens, die ihren älteren Bruder hier am Pier verabschiedete, und schielte fassungslos zu uns herüber.
    Ich zog meine Hand fort und versuchte, die Situation wie der zu normalisieren, indem ich mit Dr. Mastro einiger maßen unbefangen plauderte. Er war ab heute der befehlshabende Offizier der Einheit des McGill Hospital und wirkte dynamischer als seit Monaten. Als ich ihm ein Kompliment machte, wurde sein Blick etwas weicher. Seine Frau war gestorben, und er hoffte, dass diese Unternehmung ihm über die Trauer hinweghalf. Wir unterhielten uns über die Fakultät, doch Dugald mischte sich ein und zupfte an mir, auf eine schreckliche, besitzergreifende Art, die er in letzter Zeit öfter an den Tag legte.

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