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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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goldenen Haaren gesehen und waren begierig, sie kennenzulernen. »Sehr erfreut«, sagte Janie und nickte kurz, als wollte sie nicht zu viel Begeisterung zeigen, ehe sie Laure ausführlich taxiert hatte. »Bist du auch so ein Genie wie deine Schwester?«
    Laure wurde rot. »Großer Gott, nein«, sagte sie unschuldig. »Agnes ist die Gescheite.«
    Janie Banks Geoffreys lächelte, aber Miss Skerrys Gesicht wurde grimmig. Laure tat nur das, was Mädchen eben taten – sie stellte ihr Licht unter den Scheffel. Aber Miss Skerry konnte das gar nicht leiden. Intelligenz, hatte sie uns oft erklärt, ist nichts, wofür man sich schämen muss.
    »Deine Schwester ist sehr speziell«, sagte Janie.
    »O ja«, sagte Laure, ohne die versteckte Beleidigung mitzubekommen.
    Janie zahlte mir gerade heim, dass sie mich fast ein ganzes Jahr als Zimmergenossin hatte ertragen müssen. Sie war aber nicht schlau genug, um sich eine richtig spitze Bemerkung einfallen zu lassen. Alles, was sie zustande brachte, war dieser lahme Sarkasmus, ein Wort, dessen griechische Wurzel »Fleisch zerreißen wie ein Hund« bedeutete, wie ich gelernt hatte. Ich sehnte mich nach der McGill, wo Leuten mit Janie Banks Geoffreys’ geistigen Fähigkeiten der Zutritt verwehrt war.
    Miss Skerrys Hände zuckten. Sie verstand genau, was meine Zimmergenossin machte, und schien sich gerade einmischen zu wollen, vielleicht, um Janie in ihre Schranken zu weisen – als plötzlich Großmutter herüberkam. »Deine Mutter hat mir dich gezeigt, als ich mit ihr am Teetisch stand«, sagte sie zu Janie. »Es freut mich, dich kennenzulernen.«
    Janie trat einen Schritt zurück und beäugte sie. Ihre Freundinnen wechselten vielsagende Blicke.
    »Deine Mutter und ich haben uns sehr nett unterhalten.«
    Janies Augen wurden schmal. Der sinnliche Mund dehnte sich zu einem geübten Lächeln, während sie abwartete, wo rauf das Gespräch hinauslaufen würde. Sie hatte sich noch nicht entschieden, ob sie höflich zu Großmutter sein sollte oder geringschätzig.
    »Wie ich gehört habe, gehst du im Herbst auf die McGill«, sagte Großmutter.
    »Sie?« , entschlüpfte es mir. Janie Banks Geoffreys konnte kaum richtig schreiben! Ohne bei mir abzugucken, hätte sie ihren Abschluss nie geschafft.
    »Ich gehe als Gasthörerin hin«, sagte Janie achselzuckend, als würde dort jeder aufgenommen.
    »Also, ich finde das großartig. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sich so viele Mädchen aus eurer Klasse dort beworben haben! Ich dachte, Agnes wäre die Einzige.«
    »O nein«, sagte Janie. Sie deutete mit dem Kinn auf das Mädchen links von ihr. »Marianna geht auch hin. Wir sind zu viert, Agnes mitgerechnet.«
    »Mich brauchst du nicht mitzurechnen«, sagte ich. Ich schaffte es nicht, den Blick vom Rasen zu heben.
    »Ach, weißt du, Agnes«, sagte Großmutter munter, »du wirst auch hingehen. Die Unterhaltung mit Janies Mutter hat meine Meinung geändert.« Die McGill sei für Mädchen völlig ungefährlich, hatte Mrs Banks Geoffreys ihr erklärt. Sie säßen wohlbehütet in separaten Lehrveranstaltungen, und im Unterschied zu den Männern würden sie nicht unter dem Druck stehen, ein Examen abzulegen. Die meisten Mädchen würden nur ein, zwei Lehrveranstaltungen besuchen. Von denen, die sich letztes Jahr beworben hatten, sei jetzt über die Hälfte verlobt.
    Miss Skerry stand, an einen Baum gelehnt, hinter Janie und ihren Freundinnen. Als ich zu ihr hinüberschaute, grinste sie.
    Ich grinste zurück. Das Leben war voller Ironie. Noch ein Wort, das aus dem Griechischen kam. Janie Banks Geoffreys würde auf die Universität gehen, und – die allergrößte Ironie – ich würde mein Leben lang in ihrer Schuld stehen. Ich blinzelte in die Sonne, und das kleine, ovale Gesicht der Gouvernante verschwamm mit dem Blätterhintergrund, bis wie bei Lewis Carrolls Katze nur noch ihr Grinsen zu sehen war.

Februar 1890
    A uf dem ganzen Campus standen Pfützen. Der Boden glitzerte. Ich ging neben Felicity Hingston und versuchte ihr zuzuhören, musste mich aber darauf konzentrieren, keine nassen Füße zu bekommen, und Felicitys Stimme verschmolz immer wieder mit dem Gluckern des Wassers, das von den Bergen herabrann.
    »Das musst du lesen, Agnes«, sagte Felicity und schwenkte mehrere Zeitungen, die wild im Wind flatterten. »Die Gazette und der Herald haben ganzseitige Artikel gebracht. Sogar mit einem Foto von dir.«
    Felicity blieb stehen, um es mir zu zeigen. Mein Schulabschlussfoto vom Pensionat der

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