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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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Spüle, in der es klapperte, als sie sie aufzog. Sie kramte kurz darin herum und zog dann ein schwärzliches Metallquadrat hervor. »Ich hab’s doch gewusst – es ist noch da«, sagte sie und hielt es ins Licht. »Es muss natürlich poliert werden.«
    Mrs Froelich setzte sich wieder an den Tisch und rieb an dem Metall herum, bis ihr Lappen schwarz war. Fünf Wörter wurden sichtbar: Honoré Bourret, Arzt für Chirurgie . Sie reichte mir das Türschild. »Lebt er noch?«
    Ich nickte, obwohl ich es ja gar nicht wusste. Die alte Frau hätte gern noch mehr gefragt, das merkte ich, aber jetzt war ich diejenige, die keine Auskunft geben wollte. Vielleicht wuss ten die Froelichs ja nichts über meine Familie, und ich hatte kein besonders großes Interesse daran, das zu ändern.
    »Danke«, sagte ich aufrichtig, nahm das Schild an mich und stand auf. »Sie waren sehr freundlich.«
    Der Schneider fragte noch einmal, ob er mir ein Kleid ausmessen dürfe, aber ich schüttelte den Kopf. Ich hätte eins brauchen können, aber das war gleichgültig. Mr Froelich und seine Frau hatten mir etwas viel Wertvolleres gegeben – was sie vielleicht sogar ahnten, als sie mich zur Tür brachten.
    Als ich in die Schule zurückkam, war es schon nach zehn. Was für ein seltsamer Morgen! Ich hatte gehofft, etwas für immer zu begraben, stattdessen war es lebendiger denn je. Die Schneiderei der Froelichs hatte Erinnerungen aufgewühlt, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass ich sie besaß, und eine Sehnsucht, die so wehtat, dass ich mich ganz schwach fühlte.
    Ich betrat das Pensionat von der Rückseite. Auf dem Grundstück waren Mädchen dabei, Tische aufzustellen und Flieder zu schneiden, der in Vasen die Bühne der Aula schmücken sollte. Die Mädchen aus meiner Klasse waren alle schon frisiert und feingemacht, und zum ersten Mal im Leben nahm ich wahr, was andere anhatten. Ich fragte mich, ob irgendeins dieser Kleider aus der Werkstatt des buckligen alten Schneiders stammte. Als ich in die Aula gehen wollte, hielt mich an der Tür ein Mädchen auf, um mir zu sagen, ich solle ins Büro der Schulleiterinnen kommen.
    Dort traf ich auf Großmutter, Laure und Miss Skerry. Sie wirkten starr und steif in ihren Sonntagskleidern. Weglaufen kam nicht infrage, also ging ich schnell auf sie zu, den Blick auf die Person geheftet, deren Briefe mich die letzten acht Monate gestützt hatten. Es war seltsam, Miss Skerry außerhalb der Priory zu sehen. Sie lächelte herzlich, aber auf ihrem Kopf saß ein Derby-Hut mit einem Kinngummiband, was albern aussah.
    »Gütiger Himmel«, sagte Großmutter, als ich näher kam. Neben ihr stand meine Schwester, deren Mund zu einem gezwungenen Lächeln erstarrt war.
    »Ich kann nicht behaupten, dass sie dir besonders gut steht.« Großmutters Augen hatten die Farbe von Vergissmein nicht, mit stecknadelkopfgroßen Punkten in der Mitte. »Trägst du sie die ganze Zeit?«
    Sie hatte mich nicht mal begrüßt. »Zum Schlafen nehme ich sie ab«, antwortete ich. Meine Brille war von Anfang an ein Streitpunkt gewesen. Großmutter hatte die typischen Vorurteile einer Frau vom Land.
    »Es ist bestimmt ungesund, wenn man sie so lange aufbehält«, sagte sie. »Ich habe gehört, dadurch verformen sich die Augäpfel.« Die Direktorin, die bei uns stand, versuchte zu erklären, dass das nicht stimmte und dass die Brille keine schädlichen Folgen haben würde, aber Großmutter war für Argumente nicht zugänglich. »Heute auf der Bühne wird sie die Brille nicht tragen. Sie muss so hübsch wie möglich aussehen, Miss Smith. Die Leute werden sie anschauen.«
    Miss Smith sagte, sie finde, dass mir die Brille gut stehe, dass es aber selbstverständlich allein meine Entscheidung und die meiner Familie sei, was ich tragen würde. »Sie ist schließ lich unsere beste Absolventin«, sagte Miss Smith und legte mir die Hand auf die Schulter. »Da ist es ihre Pflicht, so hübsch wie möglich auszusehen.«
    Doch damit war die Diskussion über meine Brille und mein Äußeres noch nicht abgeschlossen. Großmutter, Laure und Miss Skerry gingen hinter mir her in mein Zimmer. Zum Glück waren wir dort allein. Wenn Janie Banks Geoffreys mir zugeschaut hätte, wie ich mich zurechtmachte – das hätte ich nicht ertragen.
    Laure fing sofort an, den Kleiderschrank durchzusehen, sie geriet richtig in Verzückung, als sie die Kleider meiner Zimmergenossin sah. Dann fand sie das weiße Sonntagskleid, das mir Großmutter genäht hatte, und legte es auf

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