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Das Geheimnis der Herzen

Das Geheimnis der Herzen

Titel: Das Geheimnis der Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Holden Rothman
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konnte, weil er so weit weg schien. Gewürze mit Schokolade vermischt, aber darunter lag noch etwas Bitteres. Ich wollte mich aufrichten, klappte aber gleich wieder zusammen.
    Howlett half mir, mich flach hinzulegen. »Sie ist wieder da«, sagte er, und diese Aussage war ein ebenso ernüchterndes Stimulans wie Riechsalz. Der Raum hörte auf, sich zu drehen. Ich blickte in Howletts Augen und spürte das bleischwere Gewicht meiner Blamage.
    Ich war in Ohnmacht gefallen wie die Jungfrau im Märchen und dabei Dr. Howlett direkt vor die Füße gesunken, vor seine eleganten Schuhe. Was dachte er jetzt von mir? Ich hatte mich so danach gesehnt, ihn zu beeindrucken, ihm meine mühsam erworbene Stärke und mein Durchsetzungsvermögen zu zeigen. Langsam erweiterte sich mein Wahrnehmungsfeld wieder, ich hörte flüsternde Stimmen um mich herum und sah verschwommene Gesichter.
    »Reichen Sie mir ihre Brille.« Das war wieder Howletts Stimme. Das Gestell wurde mir auf die Nase gesetzt und die Bügel vorsichtig um meine Ohren gelegt.
    Ich war sprachlos. Krankenschwestern, Ärzte, Studenten und sogar Patienten im Nachthemd hatten einen Kreis um mich gebildet und schauten erschrocken auf mich herunter. Ich versuchte zu protestieren und wollte meinen Protest mit der linken Hand unterstreichen, aber sie schien mir nicht mehr zu gehören. Und sie sah fürchterlich aus. Mein Ringfinger war völlig zerquetscht. Blut tropfte auf den Fußboden, auf meinen Mantel und auf das Kleid. Aber ich spürte nichts. Ich betrachtete die Wunde eines anderen Menschen.
    Howlett nahm meine Hand und legte sie vorsichtig auf meinen Bauch. »Drehen Sie den Kopf – oder Sie verlieren wieder das Bewusstsein«, sagte er sanft. »Es sieht schlimmer aus, als es ist, wir brauchen nur ein Antiseptikum. Sie sind gleich wieder auf den Beinen.« Er winkte jemanden zu sich, der hinter ihm stand, und der Mann, der zuvor so laut geschrien hatte, trat näher.
    »Ich habe versucht, sie zu warnen«, sagte er piepsig. Sein Blick schoss hin und her, und er vermied es, mich direkt anzusehen.
    »Da war nichts zu machen, Rivers. Sie haben getan, was Sie konnten.« Howlett war beim Klang der Stimme nicht zusammengezuckt, woraus man schließen konnte, dass der andere immer so sprach. »Dr. Rivers ist ein Experte in Sachen Erste Hilfe. Er wird sich um Sie kümmern. Und wenn es Ihnen wieder gut geht, wird er mit Ihnen die große Besichtigungstour machen. Einverstanden?«
    Mein Finger pulsierte. Ich konnte nicht sagen, ob die Spitze noch dran war oder nicht.
    Aber der Unfall verschaffte mir Zutritt zur Pathologie. Dankbar schaute ich Dr. Rivers an. Er schien nicht besonders begeistert zu sein – nicht nur, weil er wegen der Tür ein schlechtes Gewissen hatte. Seine Mundwinkel waren nach unten gezogen, als würde er schmollen.
    Howlett hatte wieder das Wort ergriffen und lud mich zum Abendessen ein. Gleich heute, bei ihm zu Hause. Das sei das Mindeste, was er für mich tun könne, sagte er, um mich für die Schmerzen zu entschädigen. Er wolle nicht, dass ich Baltimore später mit ausschließlich negativen Erinnerungen verlasse. Ich war so benommen, dass ich mit Mühe und Not einen Dank stammeln konnte, mehr nicht.
    Howlett klopfte den Staub von seiner Hose und ergriff den Gehstock. »Meine Damen und Herren«, verkündete er an die Menschen ringsum. »Die Vorführung ist zu Ende. Diese junge Dame hier war intelligent genug, sich in einer der besten medizinischen Einrichtungen der Welt zu verletzen. Sie wird gut versorgt werden, darauf können Sie sich verlassen. Und nun gehen Sie bitte zurück auf Ihre Stationen und zu Ihren Studien.« Er machte eine lebhafte Bewegung, als wollte er alle verscheuchen, und verschwand in seinem Büro.
    Nur der Mann mit der hohen Stimme und ich blieben in dem menschenleeren Gang zurück. Er schickte eine Krankenschwester los, sie solle ein Desinfektionsmittel holen sowie eine Binde, und während wir warteten, plauderte er mit mir, damit ich mich entspannte. Wie sich zeigte, war er sympathischer, als man auf den ersten Blick vermutet hätte. Er wurde fast gesprächig, und die Art, wie er meine verletzte Hand hielt, war vertrauenerweckend und sanft. Er war in Kanada geboren, in Ontario. Sein medizinisches Examen hatte er in Toronto abgelegt, wo er eine Goldmedaille bekam. Die Ausbildung, so sagte er, sei allerdings nur zweitklassig gewesen, kein Vergleich zu dem, was er nun hier am Johns Hopkins lerne. Seit einem Jahr war er nun hier in Baltimore und

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